EUROPA WIRD AUCH NACH INNEN ZUR FESTUNG
: Bin-Laden-Schreck-Paket schreckt Bürger

Nicht nur die Menschen in Manhattan rücken enger zusammen. Die europäischen Regierungen tun es auch. Die Innen- und Justizminister haben bei ihrem Sondertreffen gestern eine Kompromissbereitschaft gezeigt, die man ihnen vor dem 11. September nicht zugetraut hätte. Ob bei den Themen Eurojust, Europol oder dem Europäischen Staatsanwalt: Wie haben wir Kommentatoren gespottet, wenn wieder einmal ein Brüsseler Palaver ohne Ergebnis zu Ende gegangen war. Jetzt bleibt uns der Spott im Hals stecken, denn nun schöpfen die nationalen Regierungen die Möglichkeiten aus, die der Amsterdamer Vertrag seit Mai letzten Jahres eröffnet. Und plötzlich geht alles fast zu schnell.

Auf dem kurzen Dienstweg ist gestern von den Innen- und Justizministern ein dickes Maßnahmepaket durchgewunken worden, dessen Folgen für die bürgerlichen Freiheitsrechte sich noch gar nicht absehen lassen. Zwar sollen Beschlüsse wie der, die UN-Konventionen zur Bekämpfung des Terrorismus schneller zu ratifizieren, vor allem beweisen: „Seht her, wir tun was!“ Andere Konferenzergebnisse wie die engere Zusammenarbeit nationaler Ermittlungsbehörden sind nicht neu und scheiterten bislang an der Trägheit der Bürokratie. Ob ein Ministerratsbeschluss daran etwas ändert, wird sich erst mittelfristig zeigen.

Wenn aber nun das Schengener Informationssystem Europol zur Verfügung stehen soll, ohne dass der Datenfluss parlamentarischer Kontrolle unterliegt, dann wird der Datenschutz ausgehöhlt. EU-Europa: Das sollte sicherlich mehr einheitlichen Rechtsraum und weniger nationale Alleingänge bedeuten. Aber nur, wenn die Willensbildung darüber in öffentlich kontrollierbaren Räumen stattfindet. Wir wollen eine europäische Verfassung und demokratische europäische Institutionen – aber kein Bin-Laden-Schreck-Paket, das in Wirklichkeit die Bürger schreckt.

DANIELA WEINGÄRTNER