Wahlen in Polen ohne Wahlkampf

Der Sieger der Parlamentswahlen am kommenden Sonntag steht schon fest: Die Opposition wird gewinnen

WARSCHAU taz ■ Dass in Polen bereits in zwei Tagen Wahlen sind, merkt man dem Land nicht an. Zwar hängen etwas mehr politische Plakate als sonst an den Litfasssäulen, aber neben der Werbung fallen sie kaum auf. Die Anschläge in den USA haben den Wahlkampf völlig in den Hintergrund rücken lassen. In den Gesprächen auf der Straße ist nur ein Thema von Interesse: „Wie geht es in Amerika weiter? Wird es Krieg geben? Wird Polen als neues Nato-Mitglied Amerika helfen können?“

Es wird noch nicht mal ein richtiger Wahlkampf geführt. Der Sieger scheint schon seit Monaten festzustellen. Es wird das Wahlbündnis aus der Demokratischen Linksallianz (SLD) und der Union der Arbeit (UP) sein. Der Zusammenschluss der beiden sozialdemokratischen Parteien hat für beide Seiten so viele Vorteile, dass dieses Bündnis wesentlich länger halten wird als die bislang regierende konservative „Wahlaktion Solidarność“, die sich längst in Splitterparteien aufgelöst hat.

Für die SLD, den größeren Partner im Bündnis, ist die relativ kleine Union von unschätzbarem Wert, da deren Mitglieder der alten Regimeopposition angehören, die SLD aber mit Leszek Miller an der Spitze aus vielen alten Apparatschiks besteht. Wenn nun also die „anständige“ Linke kein Problem darin sieht, mit den ehemaligen Regimekommunisten zusammenzugehen, kann das nur heißen, dass die SLD tatsächlich kaum noch etwas mit der alten kommunistischen Partei zu tun hat. Der Imagegewinn für die SLD ist also enorm. Für die UP hingegen wird endlich der Weg an die Macht frei. Erstmals seit der politischen Wende von 1989 wird die kleine Linkspartei an der Regierung beteiligt sein. Der gemeinsame Wahlslogan heißt denn auch „Kehren wir zur Normalität zurück! Gewinnen wir die Zukunft!“ Tatsächlich kommt der Slogan bei den Wählern genau so an, wie er gemeint ist: der Machtwechsel ist normal, weil er demokratisch erreicht wird, die Rückkehr der alten Köpfe in die Regierung ist normal, weil die Politiker heute anders denken, normal ist auch das Zusammengehen zweier linker Parteien, die verschiedene Traditionen repräsentieren.

Nur so ist zu verstehen, dass SLD-UP bei den Wahlen am Sonntag die absolute Mehrheit anstreben kann, ohne dass die rechten Parteien gleich an das alte Machtmonopol erinnern würden. Der in Frage kommende Koalitionspartner wäre die Bauernpartei (PSL), eine frühere Blockpartei, die bereits in den Jahren 1993 bis 1997 mit der SLD zusammenregiert hat. Da sie reine Interessenpolitik zugunsten der Bauern macht und eher EU-skeptisch eingestellt ist, gilt sie allerdings als „großer Bremsklotz“.

GABRIELE LESSER