Mit Kronleuchtern und Kerzenschein

Koalition mit Schill? FDP steht vor der Zerreißprobe, wenn der Sprung ins Parlament und in den Senat glücken sollte

Den gelben Aufkleber mit der großen 18 haben die meisten Freidemokraten schon vor Beginn der Wahlparty im Elysee-Hotel vom Revers genommen: Es würde eng werden, ahnen alle. Dass es dann Schills Rechtspopulisten sind, die ihre „Mission 18 %“ fast verwirklichen, lässt viele Elbliberale erschaudern. „Einen Blanko-Scheck“ in einer neuen Koalition werde der rechte Richter nicht erhalten, lässt Rose Pauly vom Platz zwei der Landesliste wissen: „Es gibt einige Dinge, über die wir mit Schill reden müssen“, kündigt sie düster an.

Aber erst mal wird gejubelt. Immer, wenn der FDP-Turm auf dem Fernsehschirm die fünf-Prozent-Grenze durchschlägt, ertönen spitze Schreie. Zwei Legislaturperioden hatte man vor der Rathaustür warten müssen. Mit Kronleuchtern und Kerzenschein ist der Ballsaal des Hotels schick wie eine Blankeneser Villa. Ein einflussreicher Freundeskreis aus der Wirtschaft hatte den FDP-Erfolg mit viel Geld befördert.

Spitzenkandidat Rudolf Lange hat sich die erste Prognose im stillen Kämmerlein angeschaut. Erst als der Sieg perfekt erscheint, erobert er im Sturmschritt das Rednerpult. So beglückt sind der Konteradmiral a.D. und sein Parteivolk, dass er nur zwei Daumen in die Höhe zu strecken und programmatisch anzukündigen braucht, nun werde man „mal weiterschauen“. Der Applaus für diese sensationelle Ansage ist ihm trotzdem sicher. An der Hotelbar klimpert der Pianist „Merci, Chery“.

Die letzten Sozialliberalen in der FDP aber knirschen mit den Zähnen. Allzu unerfreulich erscheint ihnen die Perspektive, nun vier jahre als Juniorpartner zwischen CDU und Schill lavieren zu müssen. „Die FDP ist das schwächste Glied in dem Ganzen“, seit Gisela Wild, die Spitzenkandidatin von 1993. Eine Mitte-Rechtskoalition sei kein Selbstgänger: „Das kann auch zerreißen.“ Für eine Wende sei sie ja auch: „Aber nicht mit Schill.“ Dessen Programm bestehe nur aus „Einsperren und streng bestrafen“. Sie könne sich auch eine Ampel-Koalition vorstellen. Das Ergebnis der Schill-Partei mitten in einer Weltkrise erschüttere sie, sagt Wild: „Das ist doch Wahnsinn. Was sind das für Hamburger?“

Bereits heute will der FDP-Landesvorstand die Koalitionsverhandlungen vorbereiten. Eine Festlegung auf ein Bündnis mit Schill gebe es nicht, betont Vorstandsmitglied Gerold Hinrichs-Henkensiefken: „Es steht alles zur Diskussion, auch Personalfragen.“ Es sei nicht selbstverständlich, dass Schill Innensenator werde. Kandidat Oliver Gross: „Für einen Appel und ein Ei“ gehe die FDP nicht in eine Koalition. Rose Pauly ist derweil schon dabei, Hamburg von rot-grünen Erblasten zu säubern. Grundlegende Reformen in der Bildungspolitik kündigt sie an, und mit dem Filz in den Behörden werde man aufräumen: „Man kann auch als kleine Partei stark sein.“ Auch nach den vielen Wahlkampfwochen weiß Pauly immer noch nicht, was sie von Schill halten soll: „Ich kenne ihn persönlich nicht.“ Sie wird ihn bald kennen lernen. Doch in der kleinstmöglichen aller Regierungsparteien fällt die Vorfreude auf das Rendevouz mit dem rechtsextremen Riesen eher karg aus.

Günter Beling