„Wir haben genug Spiele abgegeben“

Die Stimmung bei Hertha sinkt: Nach dem 1:4 gegen den 1.FC Kaiserslautern gehen nicht nur Preetz die Worte aus

KAISERSLAUTERN Es ist erst vier Monate her, als Dieter Hoeneß, der Manager von Hertha BSC Berlin, nach dem 1:0-Sieg seiner Mannschaft beim 1. FC Kaiserslautern und dem Einzug in den Uefa-Pokal locker über Zukunftsperspektiven sprach. Die Champions League sollte in dieser Saison erreicht werden. Doch nach der 1:4-Schlappe beim Tabellenführer steht Hertha nach sieben Spieltagen mit acht Punkten auf dem 12. Platz, gerade mal drei Punkte entfernt von einem Abstiegsplatz.

„Wir müssen die Fehler abstellen“, stammelte ein fassungsloser Hoeneß dieses Mal, während sein Blick ins Leere ging. Dabei hatte es für die Berliner gar nicht schlecht angefangen auf dem Betzenberg, den sie zuletzt zwei Jahre nacheinander als Sieger verlassen hatten. Doch Michael Preetz schoss in der 7. Minute nach einer Flanke von Sebastian Deisler über das Tor, und drei Minuten später konnten die Blau-Weißen ein Durcheinander in der Lauterer Abwehr nicht nutzen. Vorausgegangen war wieder eine Vorarbeit von Deisler. Die beste Chance aber besaß Bart Goor, der nach elf Minuten die Latte traf.

Das waren die „ein, zwei Riesenmöglichkeiten“, die Hertha-Trainer Jürgen Röber hinterher meinte, als er lamentierte, der Sieg der Pfälzer sei zu hoch ausgefallen. „Was soll ich denn machen?“, fragte er mehrmals in die Runde und wirkte hilf- und ratlos wie zuvor seine Spieler auf dem Rasen. Die hatten, sofern sie in der Abwehr tätig waren, nahezu unbeteiligt zugesehen, wie sich Miroslav Klose nach einem Zuspiel von Vratislav Lokvenc den Weg zum Tor freimachte und an Gabor Kiraly vorbei zum 1:0 traf. Der ungarische Torhüter verhinderte noch vor der Pause einen höheren Rückstand, als er bei gefährlichen Eckbällen des Brasilianers Lincoln, der seinen Landsmann Marcelinho glatt ausstach, rettete.

Kaiserslautern war mit viel Respekt vor den Berlinern in das Spiel gegangen, auch im Wissen, dass sie bei den Heimsiegen gegen Gladbach, Köln und Bremen viel Glück gehabt hatten und mit Hertha BSC nun eine ambitionierte Mannschaft kam, die ihren Fehlstart korrigieren wollte. Doch anstatt allzu lange vor den Gästen zu verharren, zeigten die Roten Teufel ihr bestes Saisonspiel und kamen keineswegs nur durch Standardsituationen, wie es Röber und Hoeneß hinterher schönzureden versuchten, zu ihren vielen Chancen. In der zweiten Halbzeit war von Hertha BSC fast nichts mehr zu sehen.

Wenn etwas Gescheites lief, ging es von Deisler aus, der aber von seinen Mitspielern nicht genügend unterstützt und entlastet wurde. Was Röber ganz anders sah. Es seien „genügend Spieler auf dem Platz“ gewesen, die Belastung habe nicht nur auf Deisler gelegen. Doch der Unterschied zwischen diesem und dem Rest der Mannschaft bestand darin, dass Deisler den Willen hatte, dem 1. FCK etwas entgegenzusetzen, auch als es nach 50 Minuten 2:0 stand.

Hertha BSC präsentierte sich in Kaiserslautern nicht als Mannschaft, als eine aufeinander abgestimmte Einheit, sondern als eine Ansammlung besserer, guter und mittelmäßiger Einzelspieler, die noch nicht verinnerlicht haben, dass sie es – jeder für sich allein – nicht schaffen werden, ihr Ziel zu erreichen.

Als Marcelinho in der 80. Minute durch einen Foulelfmeter auf 2:1 verkürzte, geriet der Lauterer Startrekord von 21 Punkten aus sieben Spielen nur kurzzeitig in den Köpfen der Zuschauer in Gefahr. Gleich ging es wieder nach vorne, und anstatt ins Lauterer Tor zu treffen, wie es seine Aufgabe gewesen wäre, produzierte Michael Preetz nur eine Minute später ein Eigentor nach einer Ecke von Mario Basler. Und es waren keine 60 Sekunden vergangen, als Lokvenc mit dem Ball davoneilte und auf den mitgelaufenen Lincoln flankte, der kunstvoll das 4:1 erzielte.

„Wir haben jetzt genügend Spiele abgegeben“, zog Pechvogel Michael Preetz das Fazit eines sonnigen und doch so schwarzen Nachmittags. Nun geht es um volle Konzentration, denn der VC Westerloo und der 1. FC Köln kommen. Vielleicht sind die Belgier, die ihre winzige Chance weiterzukommen suchen werden, ja der richtige Aufbaugegner für Hertha BSC, um sich für den langen Kampf nach oben in die süßeren Regionen der Bundesligatabelle zu stärken. Momentan sollten sie deshalb eher glücklich sein, „nur“ im Uefa-Pokal und nicht in der Champions League zu spielen. Die Belastung für den nach dem Gewinn des Ligapokals selbst ernannten Meisterschaftskandidaten ist nämlich so gerade hoch genug, wenn es am nächsten Samstag gegen die punktgleichen Kölner darum geht, ob es ein Stückchen rauf oder gar ganz nach unten geht.

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