Springbrunnen im Bunkerzelt

Der Bildhauer und Installationskünstler Victor Kégli erhält den Georg-Kolbe-Preis 2001

„Visitez ma tente / Besuchen Sie mein Zelt“, lautet die Aufforderung, mit der Victor Kégli im Georg-Kolbe-Museum zur Besichtigung seiner Leinwandbunker einlädt. War das Motto zunächst noch spielerisch gemeint, so bekommt es durch die New Yorker Tragödie eine ungeahnte Dramatik. Deutsche Soldaten in Bunkern, Zelten und auf dem Schlachtfeld erschienen nach dem Zweiten Weltkrieg lange undenkbar. Nun gehört die waffenstarrende Auseinandersetzung wieder zum Zeitgeschehen, für den drohenden Krieg in Afghanistan hat Schröder den USA volle Unterstützung zugesichert.

Doch der Ausgangspunkt zu Kéglis Projekt war ein anderer. „Die Idee kam mir, als ich in Vercone/Frankreich zu einem Wettbewerb mit dem Titel ‚Camping‘ eingeladen wurde“, erläutert Kégli. Ihm sei klar gewesen, dass er sich mit dem historischen Ort – ein Brennpunkt des französischen Widerstandes gegen die deutschen Besatzer – auseinander setzen musste. „Ich betrachtete die Fotografien der Wehrmachtsbunker am Atlantik und mir war klar: Das ist mein Thema“, beschreibt der Bildhauer die Initialzündung zu der nun auch in Berlin errichteten Installation.

Zuerst waren die Franzosen geschockt, als ausgerechnet ein Deutscher nach knapp einem halben Jahrhundert wieder einen Bunker in der Hügellandschaft von Vercone errichtete. „Dann jedoch sahen sie genauer hin und bemerkten, dass es ein Zelt war und eine ungeheure Leichtigkeit hatte.“ Die lichte, offene Bauweise der Konstruktion unterstreicht im Garten des Museums noch zusätzlich ein Springbrunnen im Innenraum mit einer anmutigen, wasserplätschernden Knabengestalt.

Obwohl Kégli mit seinem Bau zahlreiche Einladungen auch zu anderen Projekten erhielt, will er nicht als Bunker-Künstler Furore machen. Seine Skulpturen im öffentlichen Raum verdichten vielmehr aktuelles Zeitgeschehen. So erreichte er die bisher größte Resonanz mit seiner letztjährigen Aktion: Weiß 104. Mit 104 auf dem Schlossplatz aufgebauten Waschmaschinen bescherte er den Berlinern einen Groß-Waschsalon und verdeutlichte zugleich auch die zunehmende Vereinnahmung des Privaten durch die Öffentlichkeit, wie sie beispielsweise allseits präsente Reality-Formate vorantreiben.

Nicht nur als kritischen Diskussionsbeitrag, sondern auch ironisch will Kégli dagegen seinen Vorschlag für das Holocaust-Mahnmal verstanden wissen. Mit „Herschel und Gretel“, einem bunt lackierten Figurenensemble, präsentiert der Hochschulabsolvent das Klischee vom blonden deutschen Mädel und dem jüdischen Rabbiner. Die beiden entfalten bei Geldeinwurf ein unheilvolles Eigenleben – gegen die geschäftsmäßige Frömmigkeit beim öffentlichen Gedenken: Gretel verneigt sich und schlägt mit ihren Zöpfen an die vor ihr installierte Berliner Mauer. Der bei Geldeinwurf kreisende Jude war der Auswahlkommission zum Mahnmal dann doch zu starker Tobak. Es folgte die erwartete Ablehnung. Sie kam dem Künstler nicht einmal ungelegen, denn: „Meiner Ansicht nach wäre es viel sinnvoller, die noch existierenden Gedenkstätten zu renovieren. So stark kann ohnehin kein Mahnmal wirken.“ RICHARD RABENSAAT

Bis 30.09., Di–So, 10–17 Uhr; Georg-Kolbe-Museum, Sensburger Alle 21