Der Bilderbuch-Azubi

Tobias Mette hat gegen seinen Arbeitgeber, die Wohnungsbaugesellschaft Stadt und Land Berlin, eine Klimawette gewonnen, weil sich 600 Mitarbeiter heute die Treppen hochschleppen. Meistens wenigstens. Die Stadt spart dank dem Azubi viel Energie

„Wir haben das Bewusstsein der meisten KollegInnen verändert“

von CONSTANTIN VOIGT

Die Luft in Berlin muss ein bisschen besser geworden sein – dank Tobias Mette, 22 Jahre, Auszubildender bei der Wohnungsbaugesellschaft Stadt und Land. Mehr als 75.000 Kilogramm CO2 haben er und die übrigen 29 Azubis des Neuköllner Unternehmens den Berlinern erspart. Das erzählt der angehende Kaufmann, als sei es eine Selbstverständlichkeit. Nichts Besonderes. „Wir wollten beweisen, dass wir in sieben Monaten acht Prozent der CO2-Emissionen des Betriebes einsparen können“, erläutert er ein wenig schüchtern. Das haben die Azubis denn auch gegen Bezirksbürgermeister Bodo Mangold und Maria Krautzberger, Staatssekretärin für Verkehr und Umwelt, gewettet. Und gewonnen. Ihr Ziel haben sie locker erreicht, am Ende sind es sogar 26 Prozent Treibhausgas-Emissionen weniger geworden.

Kurze Haare, runde Brille, trotz Ökoprojekt sind aber keine Birkenstocksandalen in Sicht. Tobias Mette sitzt an einem runden Besprechungstisch. Hinter dem Tisch hat sich Karin Petzold verschanzt, Pressesprecherin von Stadt und Land. Hochglanzbroschüren und Pressemitteilungen griffbereit. Big sister is watching us. „Die Auszubildenden sprechen schließlich für das Unternehmen“, erklärt sie. Die Vorsicht ist überflüssig – Tobias Mette redet selbst wie der Geschäftsführer. Pressesprecherin und Bilderbuch-Azubi, die beiden sind ein eingespieltes und routiniertes Team. Davon müssen Marketingleiter träumen.

Die Azubis von Stadt und Land wollten CO2 einsparen. „Da muss man mehr machen können, als die Heizung runterdrehen“, war ihr Gedanke. Dann kam die Sache mit dem Lift, erzählt Tobias Mette: „Bei uns fährt inzwischen niemand mehr mit ruhigem Gewissen Aufzug.“ Erfolg auf der ganzen Linie, meint er lächelnd. Die 600 Mitarbeiter schleppen sich lieber die Treppen hoch – um Energie zu sparen. Meistens wenigstens. „Manchmal bin ich selbst zu faul für die Treppe“, gesteht Mette. Das bleibt nicht ungestraft: Wird er erwischt, gibt es spitze Bemerkungen von den Kollegen. Im Aufzug erinnert ein Schild daran, wie gesund doch Treppensteigen ist; eine Woche lang haben die Azubis am frühen Morgen die Kollegen persönlich gebeten, die Treppe zu benutzen. „Freundlich“, betont Tobias Mette. Ökoterror sei das nicht gewesen. Die Ehrenwache hatte Erfolg – „der Lift wird wesentlich seltener genutzt“, berichtet Karin Petzold. Für das Unternehmen hat die Klimawette auch einen profanen wirtschaftlichen Hintergrund: Stadt und Land sparen dank der Initiative der Azubis Strom, Wasser und Heizenergie. „Das lohnt sich“, erwähnt die Pressesprecherin.

„Die Idee mit dem Aufzug war nur eine von vielen“, sagt Tobias Mette. Überall haben die Azubis den Energieverbrauch gesenkt: Die Heizung ist neu eingestellt worden, Computer sind in den Pausen ausgeschaltet, Kopierer stehen auf Standby. „Wir haben's geschafft“, resümiert Mette, „wir haben tatsächlich das Bewusstsein der meisten Kolleginnen und Kollegen verändert.“ Vieles lasse sich erreichen, alleine durch simple Änderungen von Verhaltensweisen: „Das macht die Arbeit nicht unbequemer. Hier sitzt niemand fröstelnd im Dunkeln.“ Alle bei Stadt und Land haben mitgezogen.

Jetzt ist aber erst einmal Schluss. In zwei Wochen steigt die offizielle Abschlussveranstaltung mit Pressekonferenz, Bezirksbürgermeister und Staatssekretärin. Und abends eine große Party? „Das lassen wir erst mal auf uns zukommen“, winkt Mette ab. Erst müsse das Abschlussevent reibungslos über die Bühne gehen. Da ist Pressesprecherin Karin Petzold ein wenig offensiver: „Wir lassen uns schon noch etwas einfallen“, sagt sie augenzwinkernd. Außerdem werde sich das Engagement bei allen Azubis mit Sicherheit „wohlwollend im Abschlusszeugnis niederschlagen“. Und weil Tobias Mette tatsächlich ein Bilderbuch-Azubi ist, macht er jetzt erst einmal eine Pause mit großen Umweltprojekten. „Ich muss schließlich meine Abschlussprüfung schaffen“, sagt er. Allerdings habe er sich so viele Verhaltensweisen schon angewöhnt, dass er das meiste ohnehin automatisch mache: „Bei mir steht der Fernseher einfach nicht mehr auf Standby.“

Die ganze Idee stammt im Übrigen von der BUNDjugend, der Jugendorganisation im Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland. Sie hatte bereits 1999 eine ähnliche Wette gegen die Bundesregierung spektakulär gewonnen. An der Berliner Wette beteiligten sich jetzt auch Auszubildende der Deutschen Bahn und der Universität Potsdam.

Dass bei der Auswertung der Einspardaten alles mit rechten Dingen zuging, überwachte das Unabhängige Institut für Umweltfragen (UfU). Als Schiedsrichter fungierte das Potsdamer Institut für Klimafolgeforschung. Bezirksbürgermeister Mangold und Staatssekretärin Krautzberger müssen nun Bäume pflanzen – das war ihr Wetteinsatz. Die Klimawette war aber Teil eines noch größeren Projektes: Jugendliche aus ganz Europa hatten EU-Umwelt-Kommissarin Margot Wallström herausgefordert. Und auch Wallström hatte das Nachsehen. Sie muss jetzt einen Monat lang mit dem Fahrrad zu ihrem Brüsseler Dienstsitz kommen.