press-schlag
: Warum es schon bessere Spieltage gegeben hat

Bauchnabelschau

Ein scheußlicher Spieltag, der Samstag. In der Halbzeitpause stiefel ich mit dem grummeligen, besten Freund die Fußballkneipen der Umgebung ab, und wir fangen uns dabei fast Maulschellen: Jedesmal, wenn ein Kneipier uns sein „Na, Hertha!“ auf die Frage, welches Spiel gezeigt wird, entgegenberlinert, schnappt der beste Freund vernehmlich „Drecksherthaner!“, und wir müssen flüchten.

In zwei Kneipen lugen wir nur kurz auf das gelb-schwarze Gewoge auf dem Bildschirm, dann wird der beste Freund ausfallend, und ich muss ihn hinausziehen, damit wir nicht schmerzhaft mit gelb-schwarzem Testosteron zusammenstoßen. Auf der Straße flucht er laut auf Kirch. „Du bist eine Tunte! Sei nicht so aggressiv“, erinnere ich ihn liebevoll, aber besorgt. Ganz schlimm wird es nach dem Schalker Eigentor zu Beginn der zweiten Halbzeit.

Das schaue ich wieder in unserer Hausbar mit der Konferenzschaltung, der beste Freund ist schon oben in seiner Bürgerwohnung, mit seinem Liebsten, dem Köln-Fan. Ich WEISS ja, was mich erwartet, als ich ebenfalls hochgehe, und sie tun mir trotzdem Leid: Das Radio in Form eines niedlichen Autoscooter-Autos steht auf dem Boden, blinkt verloren und plärrt die Radiokonferenz, der beste Freund lehnt mit Grabesmiene am Fenster und geißelt sich geistesabwesend mit dem Topflappen, sein Partner wiegt sich autistisch zu dem endgültigen Ergebnis Köln gegen Nürnberg: 1:2. Dass die Lauterer die „Drecksherthaner“ mit 4:1 wegputzen, kann beide nur wenig aufmuntern, eher der Bremer Triumph gegen den HSV, 4:0.

Zur Ablenkung blättere ich in einem David-Beckham-Bilderbuch, das ein Arbeitskollege dem besten Freund geliehen hat, es stammt aus einem schwulen Buchladen, und der beste Freund soll seine Meinung als „Betroffener“ (schwul + Fußballfan) kundtun. Beckham sitzt auf den Fotos in halb nackten Heldenposen in Sporthallenecken herum, er liegt mit hinter dem Kopf verschränkten Armen im Bett, springt mit offener Hose Seil, lässt sich mit geschlossenen Augen irgendetwas ins Gesicht spritzen, und ich frage mich, wo man das Buch sonst verkaufen sollte außer in der Schwulenbuchhandlung. Ein unglaublich eitler Fatzke, dieser Beckham, finde ich, und der beste Freund findet den merkwürdig hervorstehenden Beckham’schen Bauchnabelknopf unmöglich.

Die Konferenz ist vorbei, im Anschluss läuft auf InfoRadio ein Werbespot, der wie eine Bindenwerbung anfängt, und ich will schon fassungslos schreien, als sich der Spot doch als Autokaufreklame entpuppt. Puuuh. War ja wohl schon genug Zielgruppenverwirrung für heute. JENNI ZYLKA