Das B-Team zahlt heim

Der deutsche Meister entscheidet das Spiel in Cottbus früh, kann damit aber nicht verhindern, dass „ein paar Doofköppe“ durch unbekannte Flugobjekte das Spiel an den Rand des Abbruchs bringen

aus Cottbus FRANK KETTERER

Als Zocker ist der Münchner Fußballlehrer Ottmar Hitzfeld bislang nicht eben auffällig geworden. Es passt ja auch nicht zu einem, der sonst eher spröde daherkommt und sich dereinst dem Studium der Zahlenlehre gewidmet hat. Dabei hat die Zockerei durchaus auch etwas mit Mathematik zu tun, Wahrscheinlichkeitsrechnung heißt das dort. Und vielleicht hat Ottmar Hitzfeld nach dem 3:0-Sieg seiner Bayern in Cottbus auch deshalb kurz daran gedacht, was passiert wäre, hätte er seine Mannschaft nach dem Zufallsprinzip aufgestellt. „Ich hätte auch würfeln können“, glaubte der 52-Jährige jedenfalls hernach – und dennoch wäre die Wahrscheinlichkeit hoch gewesen, dass der Champions-League-Sieger die Lausitz als Sieger verlassen hätte, was Hitzfeld als Zeichen dafür wertete, „was für eine gute Mannschaft wir haben“.

Natürlich hat Hitzfeld nicht gewürfelt, sondern gewissenhaft aufgestellt, wie immer eben: „Nach Taktik und Trainingsleistung“. Das Ergebnis hieraus war freilich nicht frei von Überraschungen, schon weil neben den verletzten Stammkräften Effenberg, Jeremies, Linke, Scholl und Jancker auch der französische Weltmeister Lizarazu die Reise in den Osten nicht angetreten hatte und zudem die Herren Elber, Sforza und Niko Kovac draußen auf der Bank saßen.„Ich habe heute auf Laufstärke Wert gelegt, weil auch Cottbus eine laufstarke Mannschaft ist“, ließ Stratege Hitzfeld in seine Gedankenwelt einblicken, was zum einen eher dem biederen Fußballhandwerk zugehöriges Personal wie Fink, Thiam und Tarnat in die Anfangself beförderte und sich zum anderen nach exakt 3 Minuten und 15 Sekunden erneut als taktische Meisterleistung erweisen sollte: Tor durch Zickler gleich mit dem ersten Angriff, Tor durch Pizarro mit dem zweiten – die Bayern hatten die laufstarken Cottbusser einfach über den Haufen gerannt – und das mit ihrem B-Team!

Da war es kein Wunder, dass Eduard Geyer nach der Partie reichlich missgelaunt zur Pressekonferenz erschien. Zwar war der FC Energie durchaus bemüht, sich nach dem Anfangsschock zu sammeln und den Bayern wenigstens ein bisschen Paroli zu bieten, milde konnte die Mannschaft ihren Trainer damit allerdings nicht mehr stimmen. „Das Spiel war nach drei Minuten doch entschieden“, schimpfte Geyer – und damit sein eigenes Konzept früh schon über den Haufen geworfen: „Man muss den Bayern ein bisschen die Lust am Fußballspielen nehmen. Das haben wir heute nicht geschafft“, schon „weil wir keine Zweikämpfe gewonnen und viel zu lasch gespielt haben“. Worüber noch zu reden sei, schon weil Mátyus in Minute 74 das Ergebnis per Eigentor gar auf 3:0 für die Gäste hochgeschraubt hatte.

So war die Partie durch die beiden frühen Tore zwar allzu bald schon seiner Spannung beraubt, damit aber auch aller Spannungen, die es im Vorfeld zwischen Cottbussern und Münchnern gegeben hatte und die noch vom letzten Zusammentreffen herrührten, als die Bayern, allen voran Manager Uli Hoeneß, wenig freundlich empfangen – und mit einer Niederlage verabschiedet worden waren. „Die Mannschaft hat darauf die richtige Antwort gegeben“, stellte Hitzfeld diesmal mit „großer Genugtuung“ fest; und mit ihrer eiligen Entscheidung für fast schon freundschaftliche Atmosphäre gesorgt im Stadion der Freundschaft, zumindest auf dem Rasen.

Daneben wäre es dann aber fast doch noch zum Eklat gekommen, weil unbekannte Flugobjekte zunächst Münchens Niko Kovac, später dann auch noch Schiedsrichterassistent Josef Webers am Kopf getroffen hatten. Ob es sich dabei um Geldstücke, Kastanien oder Eicheln handelte, blieb bis auf Weiteres offen; sofort fest hingegen stand, dass die Wurfgeschosse direkt aus der Cottbusser Fan-Kurve gesegelt kamen, was Energies Trainer Eduard Geyer erneut in Rage brachte und sogleich von „Stadionverbot“ sprechen ließ, sollten der oder die Übeltäter dingfest gemacht werden können. Wobei zumindest Dieter Krein nach persönlicher Inspektion des Tatorts die Täter gar nicht für so übel halten wollte: „Ganz nette Kerle“ hatte der Energie-Präsident drüben in der Kurve ausgemacht; im Übrigen sei es ja auch „eine Kunst, mit einer Eichel den Linienrichter zu treffen“. Eine Bemerkung, die Oliver Kahn heute die Ehre der Schlussbemerkung zuteil werden lässt: „Ich verstehe diese Doofköppe nicht“, sagte der Bayern-Keeper.