Aufstand der Basis gegen Militäreinsatz

Grüne in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz stellen sich gegen einen Antiterroreinsatz der Bundeswehr. Trotz anders lautender Beschlussvorlagen stimmen die Landesverbände damit gegen die eigene Bundestagsfraktion

BERLIN taz/dpa ■ Die Parteispitze der Grünen verliert im Kampf gegen den internationalen Terrorismus langsam den Rückhalt der Basis. Dies dokumentierten am Wochenende gleich mehrere Parteiveranstaltungen in den Ländern. Nach der Zerstörung des New Yorker World Trade Centers ist in den grünen Landes- und Kreisverbänden die Angst verbreitet, die USA könnten sich zu einem Bombardement Afghanistans hinreißen lassen und damit eine Eskalation der Gewalt auslösen. Entsprechend misstrauisch stehen viele dem Beschluss des Bundestages vom Mittwoch gegenüber, die USA militärisch zu unterstützen.

Sowohl in Rheinland-Pfalz als auch in Nordrhein-Westfalen scheiterten die Landesvorstände mit ihren Ansinnen, der grünen Bundestagsfraktion den Rücken zu stärken. Stattdessen sprachen sich der rheinland-pfälzische Sonderparteitag in Neuwied am Samstag und am Sonntag der nordrhein-westfälische Parteirat in Essen klar gegen einen Einsatz der Bundeswehr aus.

Führende Bundespolitiker hatten sich alle Mühe gegeben, für einen möglichen Einsatz der Bundeswehr zu werben. Dazu entwickelten sie eine ganz eigene Horrorvision: die der großen Koalition. Dann würden „Schily und Beckmann die Innenpolitik gestalten und Merkel in der Außenpolitik dilettieren“, polemisierte Umweltminister Jürgen Trittin auf der Regionalkonferenz in Göttingen. Auch Parteichef Fritz Kuhn nannte eine „Außenministerin Merkel“ auf dem Parteitag von Rheinland-Pfalz eine „absurde Vorstellung“ – nun sei „die Stunde der Profis“.

Der Einsatz blieb zumeist ohne Erfolg. In einem für Grüne typischen Abstimmungschaos setzte sich im rheinland-pfälzischen Neuwied am Samstag ein Antrag mit 52 zu 36 Stimmen durch, der sich strikt gegen jede Beteiligung der Bundeswehr an Militärschlägen wendet – und die Bundestagsfraktion auffordert, entsprechend abzustimmen. Damit war der Landesvorstand gescheitert, der die Haltung der grünen Bundestagsfraktion unterstützte. Zwei Vorstandsmitglieder, Barbara Hackebeil und Brigitte Linke-Lotz, werteten dies als Misstrauensvotum und traten nach am Abend von ihren Ämtern zurück.

In Hessen beschloss zwar am Samstag ein Sonderparteirat eine Resolution, die der Bundespartei den Rücken stärkt – jedoch ohne sich explizit zu einem Bundeswehreinsatz zu erklären. Am Sonntag folgte dann die Abfuhr in Nordrhein-Westfalen, wo sich die Vorsitzende der grünen Bundestagsfraktion, Kerstin Müller, und der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Ludger Volmer, vergeblich mühten, die Haltung der Parteispitze zu vermitteln. Am Ende sprach sich der Parteirat in Essen mit 30 zu 28 Stimmen gegen einen Bundeswehreinsatz aus. Kertin Müller erklärte im Anschluss, sie nehme die Sorgen der Delegierten zwar ernst. Die Bundestagsabgeordneten müssten aber eine eigene Entscheidung treffen.

Die grüne Verteidigungssprecherin Angelika Beer brachte das Dilemma auf den Punkt: Die Grünen wüssten nicht, „welche Mittel eingesetzt werden müssen, organisierten Terrorismus zu bekämpfen, der sich auch gegen Zivilisten richtet“.

Die Probleme mit der Basis könnten sich weiter verschärfen, sobald die Bundestagsfraktion im Detail über Militäreinsätze entscheiden muss. Es spricht für den Ernst der Situation, dass die grünen Spitzenpolitiker bereits den Bruch der Regierungskoalition thematisieren. Verbraucherministerin Renate Künast sagte, eine Regierung ohne die Grünen wäre „das Ende der Differenzierung“. Vielleicht bietet sich ja ein Ausweg für Rot-Grün an, indem man sich stärker in Mazedonien engagiert – und dafür den Antiterroreinsatz den übrigen Nato-Staaten überlässt.

MATTHIAS URBACH