Ein Puzzle mit fehlenden Teilen

Das FBI sammelt viele Informationen, kann sie jedoch nicht interpretieren. Mitglieder von vier bis fünf Terrorgruppen halten sich angeblich legal in den USA auf. Beweise sind schwer zu finden. Warnung vor neuer Anschlagswelle in den USA

von ANTJE BAUER

Fast zwei Wochen nach den Angriffen auf New York und Washington sind die Ermittler zwar um einige Kenntnisse reicher geworden, doch um konkrete Daten sind sie immer noch verlegen. Die US-Behörden haben gegen einen Mann Ermittlungen aufgenommen, der am Tag der Attentate mit zwei Lufthansa-Uniformen und drei gefälschten jemenitischen Pässen im Gepäck in Kanada festgenommen worden war. Najib Abdel Jabar Mohammed al-Hadi habe am 11. September von Deutschland nach Chicao fliegen wollen, hieß es. Wegen der Anschläge sei seine Maschine jedoch nach Kanada umgeleitet worden. Ein Lufthansasprecher bestätigte, der Verdächtige sei als Ticketverkäufer in jemenitischen Sanaa tätig gewesen. Al-Hadi ist der vierte Verdächtige, gegen den die US-Behörden wegen der Anschläge ermitteln.

Die belgischen Ermittlungsbehörden haben am vergangenen Donnerstag nach der Festnahme zweier Verdächtiger in deren Brüsseler Wohnung große Mengen an Chemikalien hergestellt, die zur Herstellung von Bomben dienen könnten.

Der französische Geheimdienst hat die US-Bundespolizei FBI offensichtlich am 1. September vor Zacarias Moussaoui gewarnt: Dieser habe Verbindungen zu Bin Laden. Moussaoui war schon im August wegen illegaler Einreise festgenommen worden. Seine Fluglehrer hatten ihn angezeigt, da er bei seinen Flugstunden nur steuern, nicht aber starten und landen habe lernen wollen. Bei ihren Versuchen, Moussaoui zum Sprechen zu bringen, hätten die Ermittler aber auf Granit gebissen.

Laut Presseinformationen wusste das FBI auch schon seit Jahren, dass mutmaßliche Terroristen aus dem Umfeld von Ussama Bin Laden vermehrt Flugschulen besuchten. Jedoch hätten sie keinerlei Anzeichen dafür gefunden, dass dadurch Selbstmordanschläge vorbereitet würden, hieß es. Regierungskreise erklärten nun, ihnen sei die Anwesenheit von vier bis fünf Gruppen bekannt, die vermutlich zu Bin Ladens Organisation al-Qaida gehörten und sich seit Jahren in den USA aufhielten. Sie seien jedoch nicht festgenommen worden, da ihnen bislang nichts vorzuwerfen sei. Die Namen von mindestens zwei Luftpiraten, Khalid al-Midhar und Nawaq Alhazmi, hätten bereits einen Monat vor den Anschlägen auf einer Beobachtungsliste von CIA und FBI gestanden, berichtete die Washington Post. Jedoch hätte nichts darauf hingewiesen, dass sie irgendetwas planten.

In den USA wächst unterdessen die Furcht vor einer neuerlichen Anschlagswelle. „Die Frage lautet nicht ob, sondern wann die nächste Anschlagswelle stattfindet.“ Mit diesen Worten zitiert die US-Presse den Senator Richard G. Lugar, nachdem die Regierung ein Briefing zu weiteren Bedrohungen abgehalten hatte. Schon für das vergangene Wochenende hatten die USA ihre Verbündeten vor weiteren Anschlägen gewarnt, die „grausamer und schockierender“ als die Anschläge vom 11. September sein würden, berichtete die japanische Nachrichtenagentur JiJi. Das Augenmerk richte sich auf die Gefahr von Angriffen mit chemischen oder biologischen Waffen in den USA oder einem verbündeten Land. Nach Informationen der US-Regierung ist eine Gruppe um Ussama Bin Laden im Besitz kleiner Flugzeuge, mit denen sie aus der Luft Pocken- und Milzbranderreger versprühen könne. Laut dem Time Magazine haben die US-Ermittler bei Verdächtigen eine Anleitung für die Bekämpfung von Getreideschädlingen aus der Luft gefunden. Deshalb hätten alle Sprühflugzeuge in den USA bis zum gestrigen Sonntag Flugverbot erhalten. Das FBI wollte sich zu diesen Informationen nicht äußern.