Eisige Stunde der Wahrheit

Sozialprofis warnen vor Schill und versprechen kritische Begleitung  ■ Von Sandra Wilsdorf

„Da kommt nichts Gutes auf uns zu“, fasst Elimar Sturmhoebel vom alternativen Wohlfahrtsverband SOAL sein Gefühl zum Wahlergebnis zusammen. Und so wie er denken die meisten, die sich professionell mit den sozialen Problemen der Stadt befassen. Diakonie, Rauhes Haus, Caritas beschwören die Bedeutung sozialer Arbeit und hoffen, auch eine CDU-FDP-Schill-Regierung möge die anerkennen. „Es wird eine eisige Zeit für die Ärmsten anbrechen“, fürchtet Holger Hanisch vom Cafée mit Herz in St. Pauli. Denn Ronald Schill wolle eine „sterile Stadt“. Hanisch fürchtet, dass alte Ideen nun Wirklichkeit werden, „wie die, Bettler aus der Innenstadt zu vertreiben“.

Sabine Kohlhof, Geschäftsführerin des Verbandes Kinder- und Jugendarbeit Hamburg, fände es katastrophal, wenn der einzige Auftrag der Jugendhilfe die Verbrechensbekämpfung würde. „Denn Jugendhilfe kann weder Armut noch Arbeitslosigkeit abschaffen, also auch nicht deren Folgen“, sagt sie und prognostiziert, dass die soziale Schere in Hamburg weiter auseinander gehen werde: „Elitegymnasien für die einen und noch stärkere Verelendung der anderen.“ Würden die Schulen ausschließlich an Leis-tungen der SchülerInnen gemessen, führe das zu Druck, „und am Ende gibt es nur noch mehr Jugendliche ohne Abschluss“. Auch akzeptierende Drogenarbeit werde es wohl mit Schill nicht mehr geben.

Aber es gibt auch Stimmen, die die Praxis beweisen lassen wollen, dass schon die Theorie unausgegoren war: „Ich hoffe, dass die Menschen sich von Schill abwenden, wenn sie sehen, was seine Parolen bedeuten, wenn sie beispielsweise die eigene Oma betreffen“, sagt Uwe Mann-van Velzen vom Rauhen Haus. Schon in den vergangenen Jahren sei im sozialen Bereich so viel gespart worden, mehr ginge sowieso nicht.

Und auch Thomas Lamm von der Pestalozzi Stiftung sieht die mögliche neue Regierung nur als die Fortsetzung eines bereits eingeschlagenen Weges: „Schon von der SPD gab es eine Politik, die Menschen kriminalisierte.“ Der Schritt zu geschlossenen Heimen sei nur klein. „Erst wenn Jugendliche daraus entweichen und alles nur noch schlimmer wird, werden die Menschen einsehen, dass das nichts bringt.“