Muslimische Trauer nur geheuchelt?

■ Verfassungsschutz: In Gröpelinger Fatih-Moschee „unverhohlene Freude“ über den Terror in den USA / Rechtliche Schritte gegen Innensenator Böse wegen Verleumdung geplant

Eins schien nach den Attentaten in den USA bislang von US-Präsident George W. Bush bis hin zu Innensenator Kuno Böse (CDU) klar: Millionen friedliebender Muslime sind nicht mit den mutmaßlich fundamentalistischen islamischen Terroristen über einen Kamm zu scheren. Doch jetzt offenbart ein bekannt gewordenes internes Schreiben des Bremer Verfassungsschutzes, was die Innenbehörde wirklich über hiesige Muslims denkt: Ihre auch in Gottesdiensten geäußerte Trauer über die Toten von New York, Washington und Philadelphia sei nur geheuchelt. Gleichzeitig versuchten fundamentalistische Kreise in Bremen weiter, die deutsche Gesellschaft zu unterwandern. Im Fadenkreuz der Bremer Fahnder: Die Gröpelinger Fatih-Moschee, die 1999 von der unter Beobachtung des Verfassungsschutz stehenden „Islamischen Gemeinschaft – Milli Görüs“ (IGMG) errichtet wurde. Von den 1.100 mutmaßlich extremistischen Muslime in Bremen sollen 900 Mitglieder von Milli Görüs sein.

„Auf die Terroranschläge in den USA reagierte die IGMG nach außen mit Betroffenheit. Im ,inneren Zirkel' jedoch konnte eine unverhohlene Freude über die Anschläge gegen den ,Erzfeind USA' festgestellt werden“, zitiert die Welt am Sonntag einen internen Bericht der Bremer Sicherheitsbehörden.

Milli Görüs sei „integrationsfeindlich“, heißt es weiter. „Die IGMG ist bestrebt, diese Ausrichtung in ihrer offiziellen Darstellung zu verschleiern“, wird der Bericht wiedergegeben. Dabei propagiere die „Organisation unter ihren Anhängern die Erlangung der deutschen Staatsbürgerschaft mit dem mittelfristigen Ziel, mehr Einfluss auf die deutsche Politik in ihrem Sinne nehmen zu können.“ Grundlage für den Bericht: Bei Milli Görüs eingeschleuste Verbin-dungsmänner, deren Glaubwürdigkeit in Fachkreisen jedoch bezweifelt wird.

Die Islamische Föderation Bremen (IFB) reagierte prompt – und äußerst verschnupft. Mit Berichten, in denen Moslems auf die Seite der Attentäter gestellt werden, werde die Fatih-Moschee zur „Zielscheibe des Hasses“, heißt es in einer Presseerklärung. IFB-Vorsitzender Abdulkerim Sari beschwerte sich umgehend in einem Brief an Bürgermeister Henning Scherf (SPD), der Sari noch am Freitag in einer Veranstaltung als „Freund“ bezeichnet hatte. In einem offenen Brief an Innensenator Böse, den Dienstherren des Verfassungsschutzes, stellt die IFB sogar ein Ultimatum: Wenn Böse nicht bis Freitag eine „Richtigstellung“ zu den „ungeheuerlichen Vorwürfen“ vornehme, „erwägen wir, rechtliche Schritte einzuleiten“. Ismail Baser, 2. Vorsitzender des IFB: „Das sind pure Verleumdungen.“

„Von uns hat die Presse keinen Bericht gekriegt“, sagt Verfassungsschutz-Chef Walter Wilhelm. „Es widerspricht sich nicht, dass eine Behörde im internen Schriftverkehr etwas anderes behauptet als das, was sie nach außen bekannt gibt“, meint Böses Sprecher Markus Beyer. Böse habe nie behauptet, dass „diese Leute Heuchler sind“. Noch überlege der Innensenator, wie er auf den offenen Brief der IFB antworten wolle.

„Da will jemand gezielt Misstrauen säen“, ärgert sich Helmut Hafner, in der Senatskanzlei zuständig für religiöse Angelegenheiten. Viele Muslime in Bremen „strampeln sich seit Jahren ab, um Islam und Demokratie zu vereinbaren“, sagt Hafner. Jetzt ist er „in Sorge, dass wir viele junge Muslime, die sich gerade öffnen, durch solche Berichte zurückstoßen.“

Die Vorwürfe werden ein politisches Nachspiel haben. In der Parlamentarischen Kontrollkommission des Verfassungsschutzes werde der Bericht diskutiert werden, kündigt Matthias Güldner von den Grünen an. „Den Vorwurf der Heuchelei müssen sie noch beweisen.“

Kai Schöneberg