Linksbündnis freut sich zu früh

Bei den Wahlen in Polen ist das Demokratische Linksbündnis eindeutig Gewinner. Die erhoffte absolute Mehrheit hat es aber offenbar verpasst. Suche nach Koalitionspartner wird schwierig. Bisherige Regierungsparteien aus dem Parlament geflogen

aus Warschau GABRIELE LESSER

„Wir hatten die Chance zu gewinnen, wir wollten gewinnen, und wir haben gewonnen“, jubelte Leszek Miller, der Vorsitzende des Demokratischen Linksbündnisses (SLD), noch am Sonntagabend auf der Wahlparty seiner Partei. Der Sieg über die bisherigen Regierungsparteien aus dem Solidarność-Lager schien überwältigend: weder die konservative Wahlaktion Solidarność noch die Freiheitsunion hatten die Fünf-Prozent-Hürde überspringen können. Der Sekt floss in Strömen, Laserstrahlen tanzten über freudestrahlende Gesichter, hier und da überlegten Grüppchen, ob es die SLD schaffen könnte, in der Rekordzeit von nur drei Wochen die neue Regierung aufzustellen.

Der Montagmorgen brachte das böse Erwachen: Nach den Auszählungen der ersten Wahlkreise war zwar die SLD noch immer die stärkste Partei, doch hatte sie die absolute Mehrheit verpasst. Es fehlten zehn Sitze. Schon vor den Wahlen hatte Leszek Miller angekündigt, die Regierungsverantwortung nicht übernehmen zu wollen, wenn seine Partei einen Koalitionspartner bräuchte, um die Mehrheit im Sejm, dem polnischen Abgeordnetenhaus, zu erlangen. Die endgültigen Ergebnisse werden erst am Mittwoch vorliegen.

Sollte sich das Ergebnis der Umfragen vom Sonntagabend nicht bestätigen, müsste Miller wohl doch einen Koalitionspartner suchen. Zwar hatte Staatspräsident Aleksander Kwásniewski empfohlen, dass Miller eine Minderheitsregierung bilden sollte, wenn die SLD die absolute Mehrheit verpassen sollte. Doch damit würde die SLD in die selbe Lage geraten wie zuvor die von Jerzy Buzek geleitete konservative Minderheitsregierung aus dem Solidarność-Lager. Sie hatte zuletzt kaum noch regieren können, weil die Opposition die meisten Gesetzesprojekte im Sejm scheitern ließ.

Zweite Kraft neben dem linken Parteienbündnis aus SLD und Arbeitsunion ist die konservativ-liberale Staatsbürger-Plattform mit rund 13 Prozent der Stimmen geworden. Danach kommen mit einem Stimmenanteil von acht bis zehn Prozent die beiden Bauernparteien „Selbstverteidigung“ von Andrzej Lepper und „Polnische Volkspartei“ (PSL) von Jaroslaw Kalinowski sowie die erst vor einigen Monaten gegründete Partei der früheren Justizministers Lech Kaczynski „Recht und Gerechtigkeit“. Auch der nationalklerikalen Partei „Liga der polnischen Familien“ ist mit fast sieben Prozent der Einzug in den Sejm gelungen. Eine vernichtende Niederlage mussten die bisherigen Regierungsparteien einstecken, die beide nicht mehr in den Sejm gewählt wurden, sondern von den Wählern zur Strafe für misslungene Reformen und Korruption in die außerparlamentarische Bedeutungslosigkeit geschickt wurden.

Möglicher Koalitionspartner der SLD könnte die Bauernpartei PSL sein, mit der die SLD schon einmal 1993 eine Regierung gebildet hatte. Beide Parteien haben ihre Wurzeln im alten System: die SLD ist aus der früheren kommunistischen Partei hervorgegangen und hat heute 100.000 Mitglieder, die PSL hatte als Blockpartei mitregiert.

Heute ist die PSL mit rund 200.000 Mitgliedern im ländlichen Raum die eigentliche „Bauernpartei Polens“. Für Miller gäbe es bei einer Koalition mit „den Bauern“ zwar Anknüpfungspunkte an die Zeiten vor 1989 und aus der gemeinsamen Regierungszeit, doch genau das dürften ihn erschrecken. Die SLD will Polen in die EU führen, die PSL hingegen will vor allem die Interessen der Bauern wahren und Polen nur zu „polnischen Bedingungen“ in die EU lassen. Insbesondere aber will die PSL ausländische Investoren aus dem Lande fern halten. Eine Koalition mit dieser Partei würde die rechte Dauerregierungskrise des Solidarność-Lagers lediglich auf die linke Seite verlagern.