Gericht: Anleger sind nicht dumm

Landgericht Augsburg spricht erstmals einem Kleinanleger am Neuen Markt Schadensersatz zu. Infomatec wegen Herausgabe falscher Informationen verurteilt. Weitere Musterklagen gegen EM.TV, Metabox und die Emissionsbank WestLB sollen folgen

aus Augsburg KLAUS WITTMANN

Zum ersten Mal hat ein Gericht im Rahmen eines Schadensersatzprozesses gestern einem Kleinanleger Recht gegeben. Der 40-jährige Frank Planeck aus Dortmund hatte gegen das inzwischen insolvente Augsburger Software-Unternehmen Infomatec AG und zwei Exvorstände vor dem Landgericht Augsburg geklagt. Durch falsche Ad-hoc-Meldungen habe er sich nach intensiver Beratung zum Kauf der Aktien entschlossen. Doch weil diese Meldungen falsch waren und in der Folge die Firma regelrecht abgestürzt ist, entstanden ihm samt Zinsen mehr als 100.000 Mark Schaden. Und genau die wurden ihm jetzt von der 3. Zivilkammer als Schadensersatz zugesprochen. Das Gericht sah als erwiesen an, dass der Kläger seine Aktien nicht gekauft hätte, wenn die tatsächlichen Auftragswerte genannt worden wären. Im Brennpunkt der Verhandlung stand eine börsenrelevante Firmenmitteilung, in der über einen angeblichen 55-Millionen-Auftrag mit der Firma Mobilcom über sogenannte Mediaboxen berichtet wurde. Tatsächlich aber, so der Vorsitzende Richter Dr. Hans Gleich, habe es sich bei dieser Auftragssumme um eine reine Absichtserklärung gehandelt. Abgeschlossen wurde ein Vertrag über einen Auftragswert von 9 Millionen Mark. „Die beiden Beklagten [Exvorstände, d. Red.] haben bewußt falsche Angaben gemacht“, so die Urteilsbegründung. „Sie haben sogar vom größten Auftrag der Firmengeschichte und vom Durchbruch hin zur Marktführerschaft gesprochen.“ Rechtlich gesehen habe der getäuschte Anleger eine „Sache erworben, die nach dem Erwerb unbrauchbar war“.

Nach Korrekturen der Umsatz- und Gewinnprognosen war der Kurs im Jahr 2000 stark gefallen. „Wenn das Urteil Bestand hat, ist das ein großer Durchbruch für die Aktionäre“, sagte Klaus Rotter, Anwalt des Klägers. Er sieht auch erhebliche Auswirkungen für andere Anleger. „Wir werden auch in den anderen Verfahren Musterklagen durchführen, zum Beispiel Metabox und EM.TV.“ Metabox sei ähnlich gelagert wie Infomatec. „EM.TV war unseres Erachtens ein ebenso krasser Verstoß.“ Rotter vertritt neben 250 Infomatec-Geschädigten auch 600 Anleger, die sich durch EM.TV um ihr Geld gebracht sehen.

Der erfolgreiche Musterkläger Frank Planeck meinte nach der Verhandlung, durch den Richterspruch sei durchaus ein steigendes Vertrauen in die Börse, insbesondere den Neuen Markt, zu erwarten. Sein Fall habe gezeigt, dass Kleininvestoren am Neuen Markt eben nicht automatisch als „Zocker“ aufgetreten seien. Er habe nach entsprechenden Firmenmeldungen bei der Infomatec AG selbst nachgefragt, ob die verkündete Auftragslage tatsächlich so positiv sei. Und er habe sich bei mehreren Banken ganz gezielt beraten lassen.

Gegen die Emissionsbanken, im vorliegenden Fall die WestLB, erheben sowohl Planeck als auch Anwalt Rotter schwere Vorwürfe. Rotter kündigte gestern eine Klage gegen die WestLB an. „Es geht um den Vorwurf des Kapitalanlagebetruges und der Prospekthaftung“, erläutert er. „Ein Mitglied der WestLB war im Aufsichtsrat der Infomatec AG, und einer der Zeugen hat ja ausgesagt, dass der Aufsichtsrat sehr wohl über die Auftragslage unterrichtet war.“ Damit sei klar, dass der WestLB-Vertreter wissen musste, dass die Auftragslage erheblich geschönt war. Rotter: „Wir werden notfalls durch allen Instanzen klagen. Es darf nicht sein, dass tausende von Anlegern auf diese Art geschädigt werden.“

Gegen die einstigen Infomatec-Vorstände Harlos und Häfele ermittelt parallel die Staatsanwaltschaft Augsburg. Sie werden des Kursbetrugs und des Insiderhandels verdächtigt.