„Passivität ist das Schlimmste“

■  Warum Schill nicht Haider ist und die Mitte nicht aus der Pflicht entlassen werden darf: Robert Misik von der „Demokratischen Offensive“ in Österreich

taz hamburg: Sehen Sie Parallelen zwischen Schill und Haider?

Robert Misik: Es gibt Parallelen und Differenzen. In Österreich wie in Hamburg war Jahrzehnte dieselbe Regierung an der Macht und auf dieser Basis hat sich außerhalb des politischen Mainstreams etwas Neues gebildet, das dann plötzlich einen immensen Aufschwung erfährt. Der Unterschied ist, dass die Schill-Partei eine One-Issue-Partei ist, keine Vollpartei wie die FPÖ. Außerdem hat Schill sehr viel schwierigere Bedingungen, weil er von der bloßen Exis-tenz in die Regierungsverantwortung katapultiert wird.

Mein erster Eindruck ist, dass man sich da nicht wahnsinnig fürchten muss, weil sie es eh nicht hinkriegen oder es ihnen zu mühsam wird. Selbst der viel gefestigteren FPÖ sind während der letzten Legislaturperiode mehrere Abgeordnete weggebrochen. Das wird bei Schill höchstwahrscheinlich auch so sein – und so üppig ist die Mehrheit ja nicht. Ich würde das an Herrn von Beusts Stelle nicht riskieren.

Also ist Schill nicht der Hamburger Haider?

Genau. In Deutschland herrscht auch ein liberaleres politisches Klima, und noch ist Schill ja ein Hamburger Phänomen. Er hat auch nicht das politische Talent von Haider. Seine Auftritte lappen immer ins Lächerliche – das war bei der FPÖ anders.

Trotzdem muss die Hamburger Linke jetzt reagieren. Was empfehlen Sie?

Man muss aufpassen, dass man sich nicht daran gewöhnt, dass es diesen Rechtspopulismus gibt. Denn dann gewöhnt man sich langsam auch an rassistische Positionen und protestiert gar nicht mehr, weil man es nicht anders erwartet. Die Empörung darf nicht verschwinden. Außerdem darf die Linke die politische Mitte nicht aus der Pflicht entlassen. Man muss CDU und FDP permanent erinnern, was sie da tun, wenn sie mit solchen Leuten koalieren.

In welcher Form – abgesehen von den Medien?

Nach unserer Erfahrung ist das Herstellen von Öffentlichkeit das Wesentliche. Die Mittel dazu muss man pragmatisch sehen. Durch die Großdemonstrationen etwa haben wir über Tage den öffentlichen Diskurs bestimmt, das hat Freiräume geschaffen. Aber ein großer symbolischer Aufschrei reicht nicht, danach müssen konstante Kampag-nen kommen. Dazu braucht es Bündnisse von der autonomen Subkultur bis zum liberalen Bürgertum, auch die Migranten-Communities müssen unbedingt dabei sein. Das war auch für uns nicht einfach, aber da muss man durch. Denn wenn jeder weiter nur in seiner Szene agiert, bringt das so wenig wie bisher. Wenn es aber gelingt, dann kann das Agieren der parlamentarischen und außerparlamentarischen Opposition das gesellschaftliche Klima nachhaltig beeinflussen. In Österreich ist das so, und ich bin zuversichtlich, dass in zwei Jahren der Rechtspopulismus abgewählt wird.

Welche Fehler sollte die Hamburger Linke vermeiden?

Die Kritik an Rechtspopulisten muss präzise bleiben. Mit einem Anti-Nazi-Gestus beispielsweise sollte man vorsichtig sein, weil man sich sonst selbst lächerlich macht. Besonnenheit ist wichtig – allerdings darf sie nicht in Passivität überschlagen. Passivität ist das Schlimmste.

Interview: Heike Dierbach