Brustzentren a la USA

■ „Europa Donna“ kämpft in 28 Ländern gegen Brustkrebs. Die Motivation ist klar: Alle sieben Minuten stirbt in der EU eine Frau an dieser Krankheit

Zum Auftakt des „Brustkrebsmonats“ Oktober laden die Bremer SPD-Europaabgeordnete Karin Jöns und der Verein „Europa Donna“ zu einer Veranstaltung für Frauen ein: Unter dem Titel „Brustkrebs kann heilbar sein: rechtzeitig erkannt und richtig behandelt“ informieren morgen Abend um 19 Uhr im Park Hotel ausgewiesen Spezialistinnen und Spezialisten.

Europa Donna, die „Europäische Koalition gegen Brustkrebs“, ist ein gemeinnütziger Verein mit 28 nationalen Foren, die autonom arbeiten, aber alle die gleichen Ziele verfolgen.. Die taz sprach mit Karin Jöns, der Vereinspräsidentin des deutschen Forums, über ihre Arbeit.

taz: Europa Donna richtet sich an gesunde Frauen. Warum?

Karin Jöns: Weil gerade die mehr über Brustkrebs wissen müssen. Denn nur wenn sie Bescheid wissen über verschiedene Behandlungsmethoden und Heilungschancen, dann reagieren sie im Falle einer Diagnose nicht panisch. Üblicherweise setzen Frauen Brustkrebs meist gleich mit Tod. So ist das Thema leider noch immer besetzt.

Was nützt es, wenn Frauen informiert sind?

Sie können einen klaren Kopf behalten und sich eine zweite ärztliche Meinung einholen, um dann zu handeln.

Was unternimmt Europa Donna?

In der EU stirbt heute alle sieben Minuten eine Frau an Brustkrebs, das sind die neuesten Zahlen der WHO. Angesichts dieser Dramatik müssen wir uns dafür einsetzen, dass wir endlich zu einer Qualitätssicherung im Kampf gegen Brustkrebs kommen.

Was heißt Qualitätssicherung?

Wir wollen eine optimale Früherkennung von Brustkrebs. Und das geht nur über Screening. Mir ist das deshalb wichtig, weil es hier in Bremen ja auch eine Debatte zum Screening gab. Übrigens: Screening findet auf freiwilliger Basis statt, keine Frau muss daran teilnehmen. Ich kann die Frauen aber nur ermuntern, das zu tun.

Warum favorisieren sie das Screening?

Nach jetzigen Erfahrungen ist es die beste Möglichkeit, den Brustkrebs so früh wie möglich zu erkennen. Es ist inzwischen nachgewiesen, dass überall dort, wo Screening durchgeführt wurde – und zwar nach europäischen Leitlinien – sich die Todesrate bei den gescreenten Frauen um bis zu 30 Prozent verringert hat.

Was ist das in absoluten Zahlen?

Von 19.000 Frauen, die jährlich in Deutschland sterben, sind ca. 10.000 Frauen im Alter zwischen 50 und 70 Jahren. 30 Prozent davon sind rund 3.300 bis 3.500 Frauen. Man geht davon aus, dass durch ein Screening diese 3.300 bis 3.500 Frauen nicht mehr sterben müssten.

Was gehört zur Früherkennung noch dazu?

Screening sollte automatisch die Tastuntersuchung mit beinhalten. Aber damit allein lassen sich Tumore in so einem frühen Stadium eben nicht erkennen. Mein Tumor war zum Beispiel auch nicht tastbar, und der war sehr groß, als man ihn fand. Deshalb: Screening muss sein. Die europäischen Leitlinien verlangen, dass die Radiologen 5.000 Bilder im Jahr beurteilt haben müssen, dass es eine Doppelbefundung gibt, dass die Geräte entsprechend oft gewartet werden.

Was kostet ein flächendeckendes Screening-Programm?

Screening kostet, wenn man es einführt, 400 Millionen Mark. Wir haben aber jetzt schon Ausgaben von 500 Millionen Mark für Mammographien von zweifelhafter Qualität.

Europa Donna will also Information und Einführung des Screening?

Ja. Außerdem setzen wir uns dafür ein, dass jede Frau, unabhängig von ihrer Bildung, von ihrem sozialen Stand und von ihrem Wohnort einen Anspruch haben muss auf eine überall gleiche, bestmögliche Behandlung im Falle von Brustkrebs. Dafür fordern wir „Brust-Zentren“.

Was kann man sich darunter vorstellen?

Dort müssten RadiologInnen, ChirurgInnen, OnkologInnen und PathologInnen zusammenarbeiten – und zwar fachübergreifend. Alle solten sich auf Brust spezialisiert haben.

Wo soll so ein Zentrum entstehen?

Man muss kein neues Krankenhaus bauen. Man kann auch sagen, wir haben hier die OnkologInnen und die ChirurgInnen. Und die arbeiten mit der Pathologie von dem einen Krankenhaus zusammen bzw. mit der Radiologie von zwei anderen Krankenhäusern im Umfeld. Das Entscheidende ist: Alle beraten gemeinsam in einem Haus mit der Patientin, am liebsten noch mit einer Psychologin, über Befund und Behandlung. Außerdem soll die Patientin alle Informationen auch schriftlich erhalten. Denn oft sind die Frauen so aufgeregt, dass sie gar nicht alles mitbekommen, was die Ärztin oder der Arzt erzählt.

Wird das Personal geschult?

In Brustzentren wäre die jährliche Weiterbildung sowohl vom Pflegepersonal als auch von den Ärzten ein Muss.

Sind auch alternative Heilmethoden geplant?

Jöns: In bisherigen Konzepten für Brustzentren ist das nicht vorgesehen. Man kann aber mit Homöopathie zum Beispiel sehr wohl unterstützend arbeiten. Aber wir kriegen den Tumor nicht mit Homöopathie weg. Ich selbst habe damals in meiner Behandlung auch homöopathische Mittel unterstützend genommen.

Woher kommt ihr Engagement?

Durch meine eigene Erkrankung. Ich finde, Politikerinnen sollten sich outen. In den USA haben das Betty Ford und Nancy Reagen getan. Das hat eine solche Bewegung ausgelöst, dass die Amerikanerinnen Anfang der 90er mehr für die Brustkrebsforschung auf die Straße gingen. Hierfür kommen seitdem Gelder aus dem Verteidigungshaushalt.

Fragen: Ulrike Bendrat