Eine isolierte internationale Uni

Die neue International University Bremen pflegt ihre Weltläufigkeit nur auf dem Campus. Seit vergangener Woche studieren die ersten 130 Studenten. Sie kommen aus aller Welt, aber sie sollen die ehemalige Kaserne am besten nicht verlassen

„Das Land hat Unis bitter nötig, die von bürokratischer Gängelung frei sind“

aus Bremen MAREIKE FUCHS

Helmut Schmidt war schon mal da – als junger Rekrut. In der Roland-Kaserne, so erzählt der ehemalige Bundeskanzler, musste er „zwei Jahre lang, ziemlich sinnlos, rechtsherum und linksherum laufen und Liegestützen machen“. Das war 1937.

Diesmal ist der 82-jährige SPD-Grandsegnieur aus einem anderen Grund in die Kaserne gekommen. Helmut Schmidt hat die Hoffnung auf die „Entrümpelung der Kulturbürokratie“ in Deutschland nach Bremen in den Stadtteil Vegesack-Grohn geführt. Bringen soll dies ein neues Projekt in Deutschland, eine internationale Universität, privat, staatlich anerkannt, aber ansonsten unabhängig: Die International University Bremen. Schmidt hat sie vergangenen Donnerstag eröffnet, weil das Land Universitäten bitter nötig habe, die von „Gängelung unabhängig“ sind.

Seit seiner Zeit hat sich das Gesicht der ehemaligen Kaserne verändert. Die roten Backsteingebäude beherbergen den zentralen Campus, das Gästehaus und die Wohnhäuser. Lediglich die Garnisonskirche ist unangetastet geblieben. Der Pragmatismus der Kaserne ist der Repräsentation gewichen. Wo vor Jahren noch Soldaten Marschübungen unternahmen, schlendern die ersten Studenten über den Campus. 130 sind es bislang, bis 2005 sollen rund 1.300 Studis aus aller Welt hier sein.

Verloren müssen sich die Studenten auf dem riesigen Kasernen-Komplex vorkommen, aber zugleich muss es ihnen imponieren. Ihre Zimmer im „Alfried Krupp College“, nach seinem Sponsor benannt, haben sie bereits bezogen. In 14 Quadratmeter großen Einzelappartements wohnen sie da. Das Bad müssen sich die Studis mit einem Kommilitonen teilen, auch ansonsten ist die Einrichtung ohne übertriebene Details: ein Bett, ein Schrank, ein Schreibtisch. Hier soll gelernt werden – möglichst ohne Ablenkung. Denn der Reiz der Universität liegt nicht in ihrer luxuriösen Ausstattung, diese Uni hat sich andere Ziele gesetzt. Exzellent will sie sein, exzellent und international.

Das Verhältnis von Studenten und Dozenten liegt mit 12 : 1 besser als an jeder anderen deutschen Universität. Nur ein Viertel der Auserwählten kommen aus Deutschland, der Rest aus über 70 Nationen, meistens Osteuropäer. Die Unterrichts- und wohl auch die Campussprache werden Englisch sein. Den Studenten der IUB steht es offen, ein Semester an der Partneruniversität, der Rice University in Houston, Texas, zu verbringen.

Die Uni will eng mit der Wirtschaft kooperieren. Die Studenten werden im hochschuleigenen „Science Park“ eng mit Unternehmen zusammenarbeiten. Die Industrie ist gleichzeitig willkommener Finanzier. So hat beispielsweise Siemens für die ersten 130 Studenten ebenso viele Laptops gesponsert.

Die Studierenden müssen aber auch selbst tief in die Tasche greifen. Immerhin kostet ein Semester an der IUB 15.000 Euro Studiengebühren, dazu kommen 3.600 Euro für Unterkunft und Verpflegung. Wem die finanziellen Mittel fehlen, dem soll durch Stipendien das Studium an der IUB möglich werden.

Bei der Eröffnung der International University tummelte sich alles, was Rang und Namen hat. Und sich selbst als das begreift, was die IUB Studenten nach dem Erwerb ihrer Abschlüsse gerne sein wollen: geistige Elite.

Sie sind etwas Besonderes in ihrer Herkunft und in dem, was sie tun und was von ihnen erwartet wird. Jeder von ihnen kann, obwohl nicht älter als 19 Jahre, schon jetzt auf einen internationale Lebensweg zurückblicken. Paul Avenati beispielsweise, 17 Jahre, verbrachte seine ersten Jahre in Italien, ging dann für die Highschool nach Boston, um dann wieder nach Rom zurückzukehren – an eine amerikanische Schule. „Diese Ausbildung hat mir die Chance gegeben, zwei verschiedene Lebenseinstellungen zwischen den Kulturen zu analysieren“, meint er. Und: „Unser Glaube an die Vielfalt ist der Schlüssel zum Fortschritt und ich bin so glücklich, dieses Prinzip so früh gelernt zu haben.“ Das ist auch die Botschaft, die am Donnerstag alle Monitore und Redner verbreiteten: uneingeschränkte Zuversicht.

Und die Stadt Bremen? Die hofft auf einen Innovationsschub – und buttert fleißig zu. 230 Millionen Mark Startkapital hat das kleine bitterarme Land locker gemacht, nebst dem extrem preisgünstigen Verkauf des Geländes. Bremen erhofft sich von der Internationalität positive Effekte für die Region. Doch gerade diese Internationalität wird sich hinter den Mauern abspielen. Zu isoliert ist das Gelände von der Stadt. 17 Kilometer von der City entfernt, zu erreichen nur über die Autobahn oder mit dem Regionalzug. Nicht einmal eine Straßenbahnanbindung gibt es. Die Uni steht in nahezu keinem Bezug zu ihrer Umgebung. Das neue Domizil der Studierenden befindet sich zwar in Deutschland, aber genau davon werden sie wenig mitbekommen. Die IUB orientiert sich an ihrem amerikanischen Vorbild, die Uni will Lernen und Wohnen vereinen, die Studenten sollen auf dem Gelände alles vorfinden, was sie brauchen. Viel freie Zeit bleibt ohnehin nicht neben dem Studienalltag, der um 8 Uhr beginnt und mit den letzten Veranstaltungen um 18 Uhr endet. Während die Bremer Jugend also in den Kneipen der City lümmelt, liebäugeln die IUBler mit der Einrichtung eines Mathe- und Kricketclubs.

Vielleicht haben sie dem Exkanzler gut zugehört. Helmut Schmidt hat geschmeichelt – und gemahnt. „Nicht jedermann“, sagte er, „hat nur Rechte, jedermann hat auch Pflichten, und jede Elite muss zugleich eine Elite der Verantwortung sein.“