Streit um Saatgut

Bauern wollen Agrarfirmen nicht für Nachbau von Saatgut zahlen. Diese verklagten mehr als 2.000 Landwirte

KARLSRUHE taz ■ Der Streit hat nicht nur symbolische Bedeutung. Eine „Interessengemeinschaft“ (IG) aufsässiger Bauern verweigert den Pflanzenzuchtfirmen jede Auskunft darüber, ob sie deren Hochleistungssaatgut mehrfach verwenden. Die Züchter sind auf die Informationen allerdings angewiesen, um entsprechende Gebühren eintreiben zu können. Jetzt muss der Bundesgerichtshof (BGH) den Streit klären.

Rund eine Million Mark müssen die Züchter aufwenden, um eine neue Pflanzensorte zu entwickeln. Dementsprechend teuer ist das Saatgut. Wenn ein Bauer sparen will, kauft er deshalb nicht jedes Jahr neue Samen, sondern greift auch mal auf die Ernte vom Vorjahr zurück. Diese („Nachbau“ genannte) Sparvariante ist bis zu zwanzig Mal möglich.

Früher war der Nachbau für Landwirte kostenlos, jetzt müssen die Bauern hierfür zahlen. So sieht es seit 1994 das EU-Recht bei europaweit geschützten Sorten (etwa 45 Prozent des Marktes) und seit 1997 das deutsche Sortenschutzgesetz bei den übrigen, nur national geschützten Pflanzenarten vor. Der Bauernverband hat inzwischen ein Kooperationsabkommen mit den Züchtern geschlossen, das günstige Tarife sichern soll.

Dagegen hat sich die „IG gegen die Nachbaugesetze“ mit der neuen Rechtslage noch nicht abgefunden. Für sie sind die Nachbaugebühren ein weiterer Schritt zur „totalen Kontrolle der Bauern durch die Agro-Multis“. Sie versuchen deshalb, die Gebührenpflicht an der schwächsten Stelle auszuhebeln. Das ist das Sortenschutzrecht. Dort findet sich keine Rechtsgrundlage für die Anfragen und Formulare, mit denen die Züchter von den Bauern wissen wollen, ob und welche Sorten diese nachbauen.

Der Auskunfts-Boykottaufruf der IG, der bereits zu mehr als 2.000 Züchterklagen geführt hat, ist damit vielleicht sogar ganz legal. Im nächsten Frühjahr wird der EuGH für das EU-Recht entscheiden, der BGH verhandelte bereits gestern. In der Vorinstanz, beim Oberlandesgericht Braunschweig, trugen die Bauern bereits den Sieg davon. Beim BGH wird es dagegen schwer werden. Der Vorsitzende Richter, Rüdiger Rogge, ließ gestern durchblicken, dass er die gesetzliche Regelung für „nicht angemessen“ hält.

„Derzeit werden 70 Prozent des Nachbaus betrieben, ohne Lizenzgebühren zu zahlen“, argumentierte auch Cornelie von Giercke, die Anwältin der Züchter. „ Ohne eine Auskunftspflicht läuft die Gebührenpflicht für den Nachbau also offensichtlich leer.“ Sie vergaß allerdings zu erwähnen, dass Kleinlandwirte (etwa die Hälfte der Höfe) ohnehin von der Gebühr befreit sind.

Das Urteil wird vermutlich erst in einigen Wochen verkündet. CHRISTIAN RATH