Neuer Weltkriegsrekord

Eine Welle erfasst die Länder dieser Erde: Kriegserklärungen im Halbstundentakt

Zuletzt erklärten die Malediven, Französisch-Polynesien, Brunei und die Mongolei Afghanistan den Krieg, und damit war die Liste der Länder, die zum weltweiten Antiterror-Appell vor George W. Bush angetreten waren, komplett. Die Malediven sicherten den Amerikanern Überflug- und Wenderechte über ihrem Territorium zu, Polynesien sperrte seine Häfen für afghanische Yachten, Brunei spendierte den amerikanischen Piloten einen Klassensatz frisch verspiegelter Sonnenbrillen und die Mongolei reservierte 35 Hammelherden und ein Lamm für die Versorgung der Einsatzkräfte. Das war zweifellos Höhepunkt und krönender Abschluss der in diesen Tagen erfolgten Mobilisierung der Weltgemeinschaft. Vorausgegangen war ihr ein verbissen geführter Wettstreit darum, welches Land Amerika als erstes und am entschiedensten jede erdenkliche Hilfe anbieten und etwaige Verfassungshindernisse pulverisierende militärische Unterstützung unterjubeln durfte. Die Regierungen meldeten sich im Halbstundentakt. Kriegserklärungen waren gleich im Dutzend und gratis zu haben – gegen wen oder was, war erst mal unwichtig, zumal der „Feind“ respektive das „Böse“ zunächst nur dezentral zu agieren schien und deshalb überall zu lokalisieren war, vulgo nirgends. Hauptsache, es wurde zurückgeschossen.

Am Anfang stand, unmittelbar nach den Terroranschlägen von New York oder noch davor: Deutschland. Frankreich, England und Italien waren ebenfalls ganz vorn dabei. Israel und Russland, China und Indien bildeten die Verfolgergruppe. Sie alle boten der US-Army jede Menge Überflugrechte, logistische Unterstützung, Geheimdienstinformationen und „Man-Power“ an – mehr als die Amerikaner je benötigen würden und offenbar doch zu wenig. Australien und Österreich schlossen auf, offerierten Nachschub. Ägypten, der Iran, Nepal sowie Bangladesch konfiszierten Teppichmesser. Japan übermittelte den USA die Liegeplätze von großen Fischen. Nichts ging mehr, die besten Plätze waren vergeben. Flugzeugträger zwängten sich in die verbliebenen Meerengen. Oben bezogen Satelliten Position.

Dann hatte plötzlich Pakistan die Nase vorn und öffnete sein Land komplett den amerikanischen Einheiten zwecks Aufmarsch. Ungerührt zog Indien nach. Die Türkei, der Iran, Kuwait, Jordanien und sogar Sri Lanka mochten da sicherheitshalber nicht nachstehen. Bulgarien, Tschechien und Ungarn waren nicht gefragt worden, schlossen sich aber pro forma an. Rumänien versiegelte vorübergehend alle Waisenheime. Mittelamerika stornierte die Lieferung von Kokain. Afrika setzte vorerst seine Hungerkatastrophen aus. Längst war nicht mehr zu sagen, wer beim weltweiten Beistandsrennen in Führung lag und wer zurückgefallen war. In dieser unübersichtlichen Situation preschten die ehemaligen Sowjetrepubliken Kirgisien, Turkmenien, Tadschikistan, Usbekistan und Kasachstan überraschend vor und überließen den USA bereitwillig alle Hoheitsrechte.

Jetzt war es nur noch Formsache, bis wirklich alle Staaten der Erde hinter den USA Aufstellung genommen hatten. Nordkorea und Libyen taten sich naturgemäß schwer, Gaddafi überstellte schließlich drei seiner Leibwächterinnen symbolisch nach New York, Kim Jong Il brachte ein Wandbild mit dem Porträt seines Vaters auf den Weg. Finnland, Norwegen, Schweden und Teile von Dänemark schalteten Telefonleitungen frei und sicherten den Amerikanern freie Durchtelefonierrechte zu.

Von den 189 von der UNO anerkannten Staaten haben sich auf diese und ähnliche Weise 188 Staaten zusammengefunden. Das ist Weltrekord, und Afghanistan hat damit einen Eintrag im Guinnessbuch sicher. Der bisherige Spitzenreiter Deutschland konnte am Ende des Zweiten Weltkriegs mit Ach und Krach lediglich 61 Länder dazu bringen, ihm den Krieg zu erklären. Give peace a chance!

RAYK WIELAND