Shall be like Mike

Michael Jordan, der beste Basketballer aller Zeiten, tritt nun doch zum zweiten Mal zurück vom Rücktritt

BERLIN taz ■ Zum Schluss war ein zehntel Prozent gar nicht mehr so unwahrscheinlich: In der Nacht zum Mittwoch gab Michael Jordan nach einem monatelangen Versteckspiel nun doch noch hochoffiziell seinen zweiten Rücktritt vom Rücktritt bekannt. Vor drei Jahren hatte der unbestritten beste Basketballer aller Zeiten sein erfolgreiches Comeback mit der Ankündigung beendet, „zu 99,9 Prozent nie wieder spielen“ zu wollen. Nun wird er einen Zwei-Jahres-Vertrag bei den Washington Wizards unterschreiben, bei denen er bislang im Management tätig war. Seinen kleinen Besitzanteil am Hauptstadt-Team hatte er bereits am vergangenen Freitag aufgrund von NBA-Vorschriften veräußern müssen, bevor er wieder aktiv ins Geschehen eingreifen durfte. Auch seinen Job als Sportdirektor der Wizards wird er aufgeben. So tritt nun die absurde Situation ein, dass Jordan von einem Trainer trainiert wird, den er selbst eingestellt, und er mit Mitspielern harmonieren muss, die er selbst verpflichtet hat.

Geldschwierigkeiten sind es definitiv keine, die Jordan mit 38 Jahren und nach sechs mit den Chicago Bulls gewonnenen NBA-Titeln zurück auf den Court treiben. Sein Vermögen wird auf 400 Millionen Dollar geschätzt, er wird für das minimal mögliche Gehalt spielen und die eine Million Dollar für die nächste Saison zudem den Attentatsopfern von New York und Washington spenden.

Die Liga gehörte zu den ersten Gratulanten. „Ich bin glücklich, Michael Jordan, den Spieler, wieder begrüßen zu dürfen“, ließ NBA-Chef David Stern verlauten, „Michael Jordan hat den Basketball-Fans in aller Welt immer viel Freude bereitet und ein bisschen Freude können wir in diesen Zeiten wirklich gebrauchen.“

Was die kränkelnde NBA gebrauchen kann, sind vor allem steigende Einschaltquoten, die sich seit dem letzten Rücktritt ihres Aushängeschildes im freien Fall befanden. In den letzten, Jordan-losen Jahren ist der Basketball in den USA, was Aufmerksamkeit, Werbeeinnahmen und Sponsorengelder betrifft, hinter Football und Baseball auf Platz drei abgerutscht. Der Heilsbringer Jordan, so einige Beobachter in den USA, soll sogar in der Lage sein, mit seiner Entscheidung die seit dem Anschlag darniederliegende Wirtschaft und den darbenden Tourismus in Washington wieder anzukurbeln. Tatsächlich bezifferte das Magazin Fortune den so genannten Jordan-Effekt nach seinem letzten Rücktritt auf 10 Millarden Dollar: So hoch sei sein Einfluss auf das Bruttosozialprodukt.

Die Meinungen, ob der neue Jordan ganz der alte sein kann, sind extrem geteilt. Ein Teilnehmer seiner Trainingsspiele wurde anonym zitiert, dass Jordan noch vor wenigen Wochen ziemlichen „Müll“ gespielt habe und gegen NBA-Nachwuchsstars wie Kobe Bryant, Allen Iverson und Tracy McGrady ziemlich alt aussehen würde. Magic Johnson dagegen, dessen eigenes Comeback Mitte der 90er-Jahre scheiterte, meint, dass „80 Prozent Jordan immer noch gut genug gegen jeden Jungstar“ sind. Die meisten Experten aber glauben wie Jeff van Gundy, Coach der New York Knicks, bei denen die Wizards zum Auftakt der neuen Saison am 30. Oktober antreten werden, dass seine Lufthoheit „wieder einer der Top-Spieler sein wird“ und die Wizards mit Jordan die Playoffs erreichen können, aber ganz bestimmt nicht um den Titel mitspielen werden.

Einer der Top-Spieler? Playoffs erreichen? Nicht anzunehmen, dass sich Jordan und sein geradezu unmenschlicher Ehrgeiz mit solch bescheidenen Zielen zufrieden geben könnten. Es ist exakt 15 Jahre her, dass Jordan zum letzten Mal in einer Mannschaft spielte, die mehr Spiele verlor als gewann. Als Wizard wird er sich womöglich an diesen Gedanken gewöhnen müssen. THOMAS WINKLER