Billiges Öl trotz Krisenangst

Der Preis für Rohöl ist an den internationalen Märkten so niedrig wie seit zwei Jahren nicht mehr, weil Händler auf eine weltweite Rezession spekulieren. Opec will Fördermenge trotzdem nicht drosseln

BERLIN taz/dpa/ap ■ Nach den Terroranschlägen in den USA und angesichts der Gefahr einer weltweiten Rezession spielen die Märkte für Rohöl verrückt – allerdings anders als erwartet: Während normalerweise in Krisenzeiten das Öl teurer wird, fällt der Ölpreis momentan drastisch: Seit Montag notiert der Preis für ein Barrel (159 Liter) Opec-Öl deutlich unter 21 Dollar – so tief wie seit zwei Jahren nicht mehr. Am Dienstag fiel der Preis sogar unter die 20-Dollar-Marke. Gestern trafen sich deshalb die Ölminister der Organisation der Erdöl exportierenden Länder (Opec) in Wien, um über ihre Förder- und Preispolitik zu beraten. Eine Reduzierung der Fördermengen, um den Preis zu stützen, wurde aber bis Reduktionsschluss nicht beschlossen.

Dabei liegt der Ölpreis derzeit deutlich unter dem von der Opec favorisierten Korridor von 22 bis 28 Dollar. Man werde den Markt ausreichend versorgen, sagte der Opec-Präsident, Chakib Khelil. Die fallenden Ölpreise seien zum Teil auf Spekulationen zurückzuführen. „Sie können also genauso schnell wieder steigen, wie sie gesunken sind“, sagte er. Die Opec werde die Produktion erst drosseln, wenn der Preis für das Barrel an zehn aufeinander folgenden Arbeitstagen unter 22 Dollar liege. „ Wenn er also drei Tage unter dieser Schwelle bleibt und dann wieder steigt, zählt das nicht.“ Auch der Ölminister von Saudi-Arabien, dem größten Ölproduzenten im Nahen Osten, riet zu Geduld. Ein Durchschnittspreis von 25 Dollar bleibe das Ziel, sagte er in Wien.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) riet der Opec, einen Ölpreis bei etwa 22 Dollar anzustreben. Ein deutlich höherer Preis würde die schlechten Aussichten der Weltwirtschaft weiter verschärfen. Unternehmen, Haushalte und Regierungen würden möglicherweise bald ihre Bestände aufstocken. Die saisonal ohnehin bald anziehende Nachfrage nach Rohöl werde dadurch zusätzliche Impulse erhalten und die Preise wieder steigen lassen. Davon geht auch Bernhard Hillebrand vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung aus. „Spätestens im Winter wird der Ölpreis wieder anziehen.“

In der Vergangenheit galt die Regel: Wird das Säbelrasseln im Nahen Osten lauter, dann steigen die Rohölpreise. So auch während des Golfkrieges 1991. „Derzeit scheint an der Märkten aber kaum jemand zu glauben, dass es in der arabischen Welt zu einem Flächenbrand kommt“, erläutert Carl-Patrick Meier vom Kieler Institut für Weltwirtschaft den Preisverfall. Zu besonnen reagierten die USA bislang auf die Terroranschläge, zu zahlreich hätten sich die arabischen Länder bisher mit Amerika solidarisch erklärt. Im Krieg von 1991 seien mit dem Irak und Kuwait zudem zwei Hauptproduzenten von Öl involviert gewesen. Afghanistan spiele dagegen keine Rolle bei der Rohstoffversorgung der Industriestaaten. „Demgegenüber dominiert bei den Rohölkäufern und -verkäufern die Erwartung, dass sich der weltweite Abschwung nach den Terrorattacken in den USA weiter verstärkt und damit die Nachfrage nach Öl sinkt.“ Ein wichtiges Signal: Fluglinien ordern weniger Kerosin.

Das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln berichtete unterdessen, dass die Ölversorgung des Westens längst nicht mehr so abhängig ist vom Nahen Osten wie zu früheren Zeiten. Derzeit stammten nicht einmal ein Drittel der weltweiten Einfuhren aus der Region, obwohl dort zwei Drittel der heute wirtschaftlich zu fördernden Ölvorkommen lägen. Deutschland etwa deckt die Hälfte seines Ölbedarfs aus der Nordsee und aus Russland.

ANDREAS LAUTZ