Deutschland bald grünenfrei?

Egal ob „Zerreißprobe“, „Nagelprobe“ oder „Feuerprobe“ – die Grünen streiten weiter über Militäreinsätze. Der erste Landesverband fordert einen Sonderparteitag. Derweil geben der Partei 51 Prozent der Deutschen gar keine Zukunft mehr

von JENS KÖNIG

Manchmal drücken sich politische Probleme ja auch in sprachlicher Verwirrung aus. Die Grünen wissen ganz genau, dass sie sich über die Frage streiten, ob man den internationalen Terrorismus mit Bomben bekämpfen kann. Aber sie wissen nicht, wie sie den Zustand beschreiben sollen, in den ihre Partei durch diesen Streit geraten ist. Die Einschätzungen reichen von „schwierige Situation“ (Rezzo Schlauch), über „ganz schwierige Situation“ (Claudia Roth) bis hin zu „extrem schwierige Situation“ (Renate Künast). Sehr beliebt ist auch die Floskel „Zerreißprobe“ (Christian Ströbele). Diese Zustandsbeschreibungen sind gestern durch eine weitere interessante Phrase bereichert worden. Der Haushaltsexperte Oswald Metzger sieht seine Partei vor einer „Nagelprobe“.

Wie wär’s denn mit „Lackmustest“ oder „Gretchenfrage“ oder, noch besser, „Feuerprobe“?

Auf einigermaßen sicherem Terrain bewegen sich die Grünen wieder bei der politischen Diskussion des Problems. Nach den Landesverbänden von Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein haben sich gestern auch Thüringen und Sachsen gegen eine deutsche Beteiligung an Militäreinsätzen gegen den Terrorismus ausgesprochen. Der Landesvorstand von Baden-Württemberg hingegen schließt den Einsatz militärischer Mittel nicht prinzipiell aus. Er lehnt aber „Rache und Vergeltung als Antwort auf den Terror“ ab. Die Grünen in Bayern, Sachsen-Anhalt und Hessen fassten bereits ähnliche Beschlüsse.

In der aufgeregten grünen Debatte werden jetzt auch Rufe nach einem Sonderparteitag laut. Der Thüringer Landesvorstand, unter ihrer Vorsitzenden Astrid Rothe eine verlässliche Größe im linken Lager der Partei, hat ihn am Mittwoch als Erster gefordert. Der vom Bundesvorstand ohnehin geplante außerordentliche Länderrat am 6. Oktober ist den Thüringern zu wenig und der für Ende November geplante reguläre Parteitag zu spät. „Der Sonderparteitag muss vor einer möglichen Abstimmung im Bundestag beraten“, so Astrid Rothe zur taz.

Parteichefin Claudia Roth plädiert dafür, den beschlossenen Fahrplan einzuhalten. Sollte sich die internationale Lage in den nächsten Tagen dramatisch verändern, werde die Partei natürlich darauf reagieren, sagte Roth der taz. „Ich habe keine Angst vor einem Sonderparteitag.“ Die Grünen-Vorsitzende warnte jedoch vor hektischen Beschlüssen. „Wir können erst dann entscheiden, wenn wir wissen, was zu entscheiden ist.“

Die Wählerschaft reagiert auf die grüne Debatte auf ihre Weise: Laut einer Forsa-Umfrage glauben inzwischen 51 Prozent der Deutschen, dass die Grünen aus der Parteienlandschaft verschwinden werden.