Türkische Einigkeit gegen Extremismus

Vereine und Verbände der Türken in Berlin raufen sich zusammen: Klare Absage an islamistischen Terror und Fundamentalismus. Umstritten bleiben der Vergleich mit dem Kampf gegen Kurden und der Islamunterricht

BERLIN taz ■ Es war nicht gerade die schnellste Reaktion, aber spontane Einigkeit war auch kaum zu erwarten: 15 Tage nach den Terroranschlägen in den USA luden gestern fünf türkische Dachverbände und Vereine in Berlin, die sich sonst oft herzlich uneins sind, zur gemeinsamen Stellungnahme in eine Moschee. Man sei sich „natürlich vom ersten Tag in der unbedingten Verurteilung der Anschläge einig gewesen“, erklärte Eren Ünsal, Sprecherin des Türkischen Bundes Berlin-Brandenburg. Aus „organisatorischen Gründen“ habe sich das gemeinsame Gespräch aber leider verzögert.

Was nach der langen Vorbereitung der Verbände, die nach eigenen Angaben etwa 90 Prozent der 230.000 Berliner Türken repräsentieren, herauskam, war eine klare Absage an islamististischen Terror, aber auch an islamischen Fundamentalismus: Wer „im Namen des Islam terroristische Aktivitäten entfalte“, habe „keinen Platz in unserer Gesellschaft“. Wer islamistischen Attentätern Verständnis entgegenbringe, lehne demokratische Traditionen ab. Der Islam sei eine „universelle Religion“, die sich auf „Toleranz gründet, Freundschaft in den Vordergrund stellt und Gewalt ablehnt“.

Einig war man sich in den Verbänden, die so etwas wie die liberalen bis konservativen nichtislamistischen Stimmen repräsentieren, auch darin, sich künftig stärker an der Beobachtung islamistischer Gruppen beteiligen zu wollen. Auch türkische Verbände seien gefordert, darauf zu achten, mit wem sie sich an einen Tisch setzten. Nicht eingeladen war wohl deswegen auch die umstrittene Islamische Föderation, die seit ein paar Wochen an zwei Berliner Schulen Islamunterricht veranstaltet.

Deutlich wurden aber auch schnell die Differenzen zwischen den Gruppen, von denen einige noch vor wenigen Jahren heillos zerstritten waren: Eine gemeinsame Stellungnahme darüber, wer Islamunterricht erteilen solle, war in Gegenwart des Berliner Vorsitzenden der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (DITIB), Ali Kilinc, nicht zu bekommen. Die DITIB ist so etwas wie eine Filiale des türkischen Religionsministeriums; die Generalkonsulate veranstalten seit Jahren eigenen Koran-Unterricht, was vor allem von linksliberalen Türken kritisch beäugt wird.

Der neue Chef der konservativen und mitgliederstarken Türkischen Gemeinde Berlin, Taciddin Yatkin, nutzte die Gelegenheit zu einer Aussage, die sonst mit Sicherheit Protest hervorgerufen hätte: Er verwies im Zusammenhang mit dem Terror in den USA auf vermeintliche Parallelen zum türkischen Kampf gegen die kurdische Minderheit. Angesichts des „Verlustes von über 30.000 unschuldigen Menschen“ habe man „besonderes Verständnis“ und hoffe darauf, dass die internationale Gemeinschaft künftig stärker gemeinsam gegen Terror tätig werde.

Eindringlich berichteten die Repräsentanten über die Auswirkungen der Anschläge auf deutsche Türken: In den ersten Tagen nach dem 11. September hätten zahllose Leute angerufen, die von Verunsicherung, Anfeindungen und Bedrohungen berichtet hätten, sagte Kilinc. Vereinzelt sei türkischen Mädchen auf offener Straße das Kopftuch heruntergerissen worden. Inzwischen habe sich die Lage etwas beruhigt. Dennoch wurde an Politik und Presse appelliert, bei der Berichterstattung über Islam einerseitsund über muslimische Bevölkerungsteile andererseits „mehr Sensibilität zu zeigen“.

An der Debatte über mögliche Konsequenzen des Terrors auf das Zuwanderungsgesetz wollte der Türkische Bund sich nicht beteiligen: Der von Innenminister Schily vorgelegte Entwurf sei „ohnehin indiskutabel“, erklärte Ünsal: „Vorteile waren immer nur für Arbeitsmigranten vorgesehen; massive Nachteile aber für Flüchtlinge und Familiennachzügler.“ JEANNETTE GODDAR