„Schläfer“-Jagd per Computer

Nach Anschlägen in den USA setzten deutsche Ermittler auf umstrittene Rasterfahndung

BERLIN taz ■ Immer mehr Bundesländer wollen angeblichen islamistischen Terroristen mittels Rasterfahndungen auf die Spur kommen. Nach Hamburg haben auch die Ermittler in Berlin, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden-Württemberg entsprechende Maßnahmen angeordnet. Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt kündigten am Dienstag an, die computergestützte Fahndung nach so genannten Schläfern einzuführen.

In Baden-Württemberg werden seit vergangenem Freitag alle Melde- und Universitätsregister nach Personen durchforstet, die im Zusammenhang mit den Terroranschlägen in den USA verdächtig sind. Laut Innenminister Thomas Schäuble (CDU) werden 100 bis 200 Muslime als gewaltbereit eingestuft. Die Behörden suchten nun nach bisher unauffälligen, ledigen Studenten, die ein technisches Fach belegen, viel reisen und finanziell versorgt sind. In einigen Fällen sollen zudem Bankunterlagen auf Hinweise nach Geldwäsche untersucht werden.

Das Berliner Landeskriminalamt prüft bei Meldestellen und Hochschulen Daten von Studenten und anderen Personen aus 14 arabischen Ländern. Diese werden laut Berliner Morgenpost mit Verdächtigenprofilen des FBI abgeglichen. Doch ob die Rasterfahndungen nennenswerte Fahndungserfolge bringen, ist mehr als fraglich – zu allgemein sind die Kriterien, die dem maschinellen Datenabgleich zugrunde gelegt werden. So erfassen die Behörden in Berlin Name, Vorname, Geburtsdatum, Geburtsort, Wohnort, Nationalität, Religionszugehörigkeit, Beschäftigungsverhältnis und Familienstand. Inwiefern dieser Datenmix Hinweise auf Mitgliedschaft in einer militanten islamistischen Gruppierung liefern soll, bleibt das Geheimnis der Ermittler. Üblicherweise werden bei Rasterfahndungen voneinander unabhängige Personenmerkmale auf Übereinstimmungen untersucht.

Die systematisierte und computergestützte Fahndung wurde in den 1970er-Jahren vom Bundeskriminalamt entwickelt und spielte vor allem bei der Verfolgung der terroristischen „Rote Armee Fraktion“ eine Rolle. Dabei gingen die Ermittler beispielsweise davon aus, dass Terroristen nicht gemeldet sind und – um ihre Anonymität zu wahren – Stromrechnungen stets bar begleichen. Die Angaben der Einwohnermeldeämter wurden daher mit den Daten von bar zahlenden Stromkunden verglichen. Doch der Fahndungserfolg hielt sich in Grenzen. Gegen die Rasterfahndung wurden zudem datenschutzrechtliche Bedenken laut, da zugleich auch die Datensätze von hunderten oder tausenden nicht Betroffener aufgelistet werden.

Heute ist die Rasterfahndung in Paragraf 98a der Strafprozessordnung geregelt. Voraussetzung ist das Vorliegen einer Straftat von erheblicher Bedeutung. Die Maßnahme darf nur angeordnet werden, wenn die „Erforschung des Sachverhaltes oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Täters auf andere Weise erheblich weniger Erfolg versprechend oder wesentlich erschwert wäre“.

Doch großen Erfolg versprechen sich die Ermittlungsbehörden von der Rasterfahndung nicht mehr. Der Aufwand bei der Datenerfassung und die Kosten sind hoch, der Ertrag ist in der Regel gering. In den vergangenen Jahren ließen sich daher die Rasterfahndungen auf Bundesebene an einer Hand abzählen.

WOLFGANG GAST