Ruandas Milizen wollen mehr Krieg

Die politische Führung der ruandischen Hutu-Milizen im Kongo spielt Entwaffnungsversuche der UNO herunter

BRÜSSEL taz ■ Die Entwaffnung der ruandischen Hutu-Milizen in der Demokratischen Republik Kongo durch die dort stationierte UN-Mission gestaltet sich schwierig. Zwar übergab Kongos Regierung am 11. September auf der Luftwaffenbasis Kamina die ersten ruandischen Hutu-Kämpfer aus den Reihen ihrer Armee an die UNO. Aber die Zeremonie war Augenwischerei.

Denn nach UN-Angaben gaben nicht 3.000, wie offiziell angekündigt war, sondern nur 1.600 Milizionäre ihre Kalaschnikows ab. Und Kongos Sicherheitsminister Mwenze Kongolo erklärte in Kamina, die Milizionäre gehörten nicht zu den Interahamwe und auch nicht zur Armee der früheren ruandischen Hutu-Regierung – die beiden ruandischen Hutu-Gruppen, die explizit im geltenden Kongo-Friedensabkommen als zu entwaffnende „negative Kräfte“ genannt werden. Es seien vielmehr, so Kongolo, Mitglieder der bisher nur als Exilpartei bekannten „Demokratischen Kräfte zur Befreiung Ruandas“ (FDLR).

Die FDLR entstand am 1. Mai 2000 und wird von dem in Deutschland lebenden Ignace Murwandashyaka geführt. Ihr Emblem – rot und grün mit einer großen gelben Sonne im Zentrum – ähnelt dem der früheren ruandischen Hutu-Extremisten-Partei CDR (Koalition zur Verteidigung der Republik), die vor dem Völkermord an Ruandas Tutsi 1994 am stärksten gegen Ruandas Tutsi-Minderheit hetzte. Die Literatur der FDLR verschweigt diesen Völkermord, benutzt aber eine Sprache, die der Völkermordpropaganda von 1994 ähnelt, und wirft Ruandas Tutsi-Präsident Paul Kagame vor, „fünf Millionen Ruander und Kongolesen“ getötet zu haben.

Die FDLR denkt auch nicht daran, ihren Kampf gegen Ruandas Regierung aufzugeben. „Diese Männer bleiben unsere Truppen“, sagte FDLR-Sprecher Alexis Nshimyimana diese Woche in Brüssel über die Entwaffnungsaktion von Kamina. „Wenn sie die Waffen niedergelegt haben, ist dies allein eine Geste des guten Willens.“ Für weitere Entwaffnungsaktionen nennt Nshimyimana, ein in Österreich lebender ehemaliger Rundfunkjournalist, mehrere Bedingungen – darunter ein „inner-ruandischer Dialog“ zwischen Ruandas Regierung und der Exilopposition.

Da die FDLR erst 2000 gegründet wurde, sieht sie sich auch nicht vom geltenden Kongo-Friedensabkommen betroffen, das 1999 in Sambias Hauptstadt Lusaka unterzeichnet wurde und dessen Umsetzung jetzt die UNO überwacht. Die FDLR verfügt nach Angaben ihres Sprechers noch über zahlreiche Kämpfer im Kongo, die nicht unter Kontrolle der dortigen Regierung stehen. Nshimyimana sagte, die Entwaffnungsaktion von Kamina habe die FDLR-Truppen „nicht verringert“.

Mit all diesen Aussagen widerspricht Nshimyimana dem kongolesischen Minister Kongolo, der in Kamina gesagt hatte, die Entwaffnung des FDLR-Kontingents stelle „den unwiderlegbaren und klaren Beweis dar, dass Kongos Regierung das Lusaka-Abkommen respektiert“, und es sei jetzt Sache der UNO, andere bewaffnete ruandische Kämpfer im Kongo aufzuspüren, „falls es noch welche gibt“.

Ruandas Regierung hat nun die UNO aufgefordert, sämtliche ruandischen Hutu-Kämpfer im kongolesischen Regierungsgebiet aufzuspüren und zu entwaffnen. Auf Verhandlungen mit der Hutu-Exilpartei wird sie sich jedoch kaum einlassen. Im Osten des Kongo sind nach wie vor Kämpfe zwischen Ruandas Armee und den Hutu-Kämpfern im Gange, deren Zahl von Ruanda auf 30.000 geschätzt wird.

FRANÇOIS MISSER