Dem Terror keinen Sieg

betr.: Anschläge in USA und innenpolitische Folgeerscheinungen

Mein persönliches Anti-Terror-Programm:

Ich werde . . .mir mein Handeln nicht von Barbaren diktieren lassen, die Eskalations-Logik von Terroristen nicht mitmachen,in meinem Land nicht Hass und Misstrauen säen lassen,nicht zulassen, dass wir die Freiheit einschränken aus Angst vor den Feinden der Freiheit,meine Menschlichkeit nicht einstürzen lassen,jeden Menschen einzeln ansehen,die gute Nachbarschaft mit Menschen anderer Kulturen und Völker nicht durch Terror morden lassen,mir kein Misstrauen gegen eine Kultur oder Hautfarbe aufnötigen lassen,mir mein liberales und vertrauenvolles Denken nicht zerbomben lassen,meine innere Sicherheit nicht „gnadenlosen Richtern“ in die Hände geben,niemanden wählen, der mit Zwietracht und Verdächtigungen auf Stimmenfang geht,meine Solidarität nicht von der Meinung der Mehrheit abhängig machen,mich weder zu Feindschaft noch zu Gewalt oder Rache nötigen lassen,niemandem bedingungslosen Beistand versprechen,nicht Terror mit Bomben vergelten,mich nicht zwingen lassen, Soldaten zum Töten zu schicken,immer zu den unschuldigen Opfern halten – auf jeder Seite,nie an heilige Kriege oder Kreuzzüge glauben,nie glauben, dass es keine Parteien, nur noch „Amerikaner“ gäbe,mich nicht zwingen lassen, noch mehr Geld für Waffen und Militär auszugeben,mir meine Freiheit nicht einschränken lassen,allen Gewalten zum Trotz mich erhalten (Tucholsky).

Denn sonst würde ich meine Freiheit verlieren an die Feinde der Freiheit und dem Terror seinen Sieg schenken.

SVEN SIEBENMORGEN, Oberhausen

Wenn man die Reaktionen von Schily, Scharping und einigen CDU-Politikern vernimmt, kann man fast glauben, der Terrorakt in New York käme ihnen gerade recht. Wohl nicht so rasch dürfte es wieder einen so geeigneten Anlass geben für abwegige Forderungen wie Erhöhung des Militärhaushalts, Einsatz der Bundeswehr im Inland, aktive Kriegsführung im Ausland, Verschärfung des Überwachungsstaates und weitere Einschränkung von Bürgerfreiheiten. Die Terroristen können zufrieden sein: Ihre Aktionen bestimmen derzeit die deutsche Politik.

HEINER JÜTTNER, Aachen

Solange unsere einzige Erde von derart riesenhaften Diskrepanzen in der Verteilung der Früchte, Waren und Dienstleistungen zwischen Norden und Süden, von zunehmenden Militär- und sinkenden Entwicklungshilfebudgets, zwischen Übergewicht und Fettsucht bei uns und stündlich 800 verhungerten Kindern in den unterentwickelten Ländern geprägt ist, wird sich der Kreislauf struktureller Gewalt bis hin zum Kamikaze-Terrorismus nicht durchbrechen lassen. Zu Beginn des dritten Jahrtausends haben wir noch immer eine Chance aus den schrecklichen Anschlägen die notwendigen Konsequenzen zu ziehen: Statt Erhöhung der Militär- und Polizeibudgets radikale Aufstockung der Bildungs-, Umwelt-, Sozial- und Entwicklungshilfebudgets. [...]

BERNHARD FRICKE, Vorsitzender David gegen Goliath e. V.,

München

Offener Brief an den Deutschen Bundestag

Wo ist in der vergangenen Woche die Streitbarkeit des Bundestages geblieben? Woher kommt plötzlich so viel Einmütigkeit, noch dazu bei so entscheidenden Fragen, von denen in der Konsequenz das Leben vieler Menschen abhängt, während sonst über Kleinigkeiten gestritten werden kann? [. . .] Mir kam es so vor, als wäre das Parlament schon gleichgeschaltet. Und die Art der Entschließung erinnert mich fatal an so viele einstimmige Volkskammerbeschlüsse aus DDR-Zeiten.

Was bedeutet „uneingeschränkte Solidarität“? Ich kann als Bürger dieses Landes, das ich immer noch für demokratisch halte, nicht solidarisch sein mit Militärschlägen gegen unbewaffnete schutzlose Menschen, die noch dazu schon seit Jahrzehnten durch die Machtinteressen anderer leiden. Ich kann nicht solidarisch sein mit einer Hysterie der Vergeltung, die sich als notwendig ausgibt. Ich kann nicht solidarisch sein mit einem blasphemischen Umgang mit dem Wort „Gerechtigkeit“. [. . .] Nehmen Sie bitte diese Worte zurück, ehe es zu spät ist! [. . .]

Wenn jemand Solidarität braucht, dann sind das die Opfer der Terroranschläge in New York wie in Israel wie in Palästina, die Flüchtlinge überall auf der Erde, die Hungernden, deren zu Boden gewirtschaftetes Land ihnen keine Chance lässt, ihren Lebensunterhalt aus eigener Kraft zu bestreiten. Die größte Militärmacht dieser Erde braucht keine „uneingeschränkte Solidarität“, allenfalls kritische, mitfühlende, aber auch korrigierende Begleitung.

MARTIN HERZFELD, ev. Pfarrer, REGINA WEIHE, ev. Pfarrerin,

Halle/Saale

Die Redaktion behält sich den Abdruck sowie das Kürzen von Briefen vor. Die erscheinenden LeserInnenbriefe geben nicht notwendigerweise die Meinung der taz wieder.