Pakistan gibt die Hoffnung nicht auf

Krisendiplomatie zwischen Kabul und Islamabad: Afghanistans Widerstand könnte das Ende der Taliban bedeuten

ISLAMABAD taz ■ Pakistan sendet heute eine Delegation von Vertretern der wichtigsten islamischen Parteien ins afghanische Kandahar. Sie sollen, so der Sprecher von Präsident Musharraf, einen „letzten Versuch“ unternehmen, Taliban- Führer Mullah Omar zur Zusammenarbeit mit der internationalen Gemeinschaft zu bewegen.

Zur Gruppe gehören auch Samiul Haq und Fazlur Rahman, treue Verbündete der Taliban. In den Islamschulen von Samiul Haq werden noch heute Dschihad-Kämpfer ausgebildet. Und tausende Anhänger von Fazlur Rahmans „Jamiat Ulema Islam“-Partei (JUI) sollen an der Seite der Taliban im Norden des Landes kämpfen. Die Parteien, deren Führer auf Drängen der Regierung nach Afghanistan reisen, haben ihren Widerstand gegen Pakistans Kooperation mit den USA allerdings nicht aufgegeben. Doch sie werden eingesehen haben, dass die verweigerte Auslieferung Bin Ladens das Ende des Taliban-Regimes bedeuten könnte.

Auch wenn die USA auf diplomatische Avancen der Allianz vorsichtig reagieren, hat die geänderte Weltmeinung die Soldateska im Norden nicht nur hoffähig gemacht, sie soll auch die Versorgung mit Waffen und anderen Gütern durch Russland und Iran verbessert haben. Ein Grund für die amerikanische Zurückhaltung ist die äußerst frostige Beziehung Pakistans zur Allianz. Diese beschuldigt Islamabad, die Taliban logistisch und personell zu unterstützen.

Zum Abschluss des Besuchs einer hochrangigen EU-Delegation, die die „Frontstaaten“ besuchte, hat der belgische Außenminister Louis Michel Pakistan zu seinem „mutigen Schritt“ gratuliert, der internationalen Koalition gegen den Terrorismus beizutreten. Es sei nun Zeit, „eine langfristige Partnerschaft aufzubauen“. Pakistanische Kommentatoren zeigten sich erfreut und auch etwas belustigt über den plötzlichen Sinneswandel. „Vor zwei Wochen waren wir noch Parias“, meint etwa Mohammed Waseem, Professor an der Uni Islamabad. Er ist besorgt über die Eile, mit der der Westen nun das Militärregime umarmt und frühere Bedenken gegenüber Musharrafs Modell einer „gelenkten Demokratie“ nun als „interessantes Experiment“ einstuft.

In Islamabad hat die Nachricht aus Washington, dass der Krieg gegen den Terror nicht mit einem D-Day beginnen werde, die Gemüter etwas abgekühlt. Nachdem in den letzten Wochen stündlich amerikanische Luftangriffe erwartet wurden, finden die Störungen des Alltags in Form von Streiks und Demonstrationen wieder vor allem in den Medien statt. Zur Beruhigung hat auch beigetragen, dass eine direkte militärische Beteiligung Pakistans an einer amerikanischen Afghanistan-Expedition unwahrscheinlich ist.

Die aggressive Zurückweisung jeder Beteiligung Irans durch Ajatollah Chomeini wurde in Pakistan mit großem Lob quittiert. Sie fand ihr Echo in der Versicherung des pakistanischen Staatssekratärs im Außenministerium, dass sich „Pakistan nie an einer feindseligen Aktion gegen Afghanistan oder das afghanische Volk beteiligen“ werde.

BERNARD IMHASLY