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Silvio, mach uns das Abendland!

Berlusconi spricht von der „Überlegenheit unserer Zivilisation“ und unterstellt Globalisierungskritikern wie Islamisten das gleiche Feindbild: den Westen

aus Rom MICHAEL BRAUN

Fast alle Politiker des westlichen Lagers wehren sich seit Tagen gegen den Verdacht, es stünde ein neuer Kreuzzug bevor – doch haben sie die Rechnung ohne Silvio Berlusconi gemacht: „Wir müssen uns der Überlegenheit unserer Zivilisation bewusst sein. Die Freiheit gehört nicht zum Erbe des islamischen Kultur“, sagte Berlusconi am Mittwoch in Berlin zu italienischen Journalisten.

Wie Schröder ist zwar auch Berlusconi für eine Koalition „westlicher und islamischer Länder“. Doch eigentlich haben die Islam-Staaten in diesem Bündnis nichts zu suchen. Schließlich „kann man nicht alle Zivilisationen auf die gleiche Stufe stellen“. Nur im Westen sei ein Wertesystem beheimatet, „das in den Ländern, wo es Anwendung gefunden hat, verbreiteten Wohlstand hervorgebracht hat“. Nur im Okzident, „ganz gewiss aber nicht in den islamischen Ländern“, „ist die Einhaltung der Menschen-, der religiösen und politischen Rechte gewährleistet“. Und flugs geht es in den Kreuzzug: „Der Westen ist dazu bestimmt, die Völker zu verwestlichen und für sich zu erobern. Dies ist ihm schon mit der kommunistischen und mit einem Teil der islamischen Welt gelungen. Aber es gibt einen anderen Teil dieser Welt, der vor 1.400 Jahren stehen geblieben ist.“

Vom äußeren ist der Schritt zum inneren Feind nicht weit. Die Globalisierungsgegner von Genua etwa sind aus Sicht Berlusconis lauter Bin Ladens. „Eines der Ziele des Terrorismus ist der Kampf gegen die westliche Korruption. Es gibt eine auffällige Übereinstimmung zwischen diesen Aktionen (den Anschlägen vom 11. September, Anm. d. Red.) und der Bewegung der Globalisierungsgegner. Ausgerechnet im Westen sind Kritiken gegen die Denk- und die Lebensweise der westlichen Welt vorgetragen worden. Man setzt den Westen auf die Anklagebank, ganz so als ob die Armut in weiten Teilen der Welt seine Schuld, die Schuld der Marktwirtschaft wäre.“

Während das Regierungslager zu dieser Kriegerklärung schwieg, hagelte es Kritik aus den Reihen der Opposition, angefangen bei deren Führer Francesco Rutelli („schlicht abwegig“). Heftig reagierte auch der Chef des Genoa Social Forum, Vittorio Agnoletto: Berlusconis Äußerungen liefen auf eine „Kriminalisierung abweichender Meinungen“ hinaus; Italiens Demokratie sei in Gefahr.

Darf man dagegen dem Regierungssprecher glauben, dann war alles nur ein Missverständnis; „aus dem Zusammenhang gerissen“ sei Berlusconi zitiert worden. Anderer Auffassung sind Italiens Rechtsblätter, die Berlusconis Äußerungen zum Ausgangspunkt einer Kampagne gegen die Mullah-gesteuerten Anti-G8-Protestierer machen. Il Giornale, das Berlusconis Bruder Paolo gehört, titelte gestern „Die Fatwa des Ölbaumbündnisses“ und warf der Mitte-links-Opposition angesichts der Kritik am Ministerpräsidenten vor, „die Taliban der Linken“ seien „im Dschihad gegen Berlusconi“. Die Tageszeitung Libero widmete den „Feinden an der Heimatfront“ ebenfalls einen Artikel. Die Globalisierungskritiker seien Bin Ladens „nützliche Idioten“, geeint durch das gleiche Feindbild: „unsere westliche Zivilisation“.

Noch fehlen die Aufrufe, den Hetzsprüchen gegen Opponenten Taten folgen zu lassen, doch lässt sich die rechte Nachbereitung von Genua auch als Vorbereitung lesen: In den nächsten Tagen und Wochen stehen zahlreiche Protestkundgebungen gegen den drohenden Krieg an.

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