die koloniale vergangenheit des comic-helden

Kaum eine Comic-Figur ist so weit gereist wie Hergés „Tim“ und sein treuer Begleiter „Struppi“. China, Nordafrika, Tibet – beinahe alle Länder, die im 20. Jahrhundert für Mitteleuropäer noch exotisch waren, brachte der Comic-Klassiker in die Wonzimmer, nicht nur in seinem Herkunftsland Belgien. Dass der unerschrockene Reporter zu Beginn seiner Laufbahn auch als Instrument der Brüsseler Kolonialpolitik eingesetzt wurde, zeigt die französische Dokumentation „Tim und Struppi on the Road“ (So., 22.35 Uhr, Arte), die auf Spuren des gezeichneten Helden um die Welt reist. Die ersten Abenteuer von Tintin (so der französische Name Tims) erschienen als Beilage zur katholischen Tageszeitung Vingtième Siècle, die sich die Christianisierung der Bewohner Belgisch-Kongos verschrieben hatte. Der uns unbekannte Herr mit Helm auf dem Foto liest gerade aufmerksam die Missions-Postille, während die Landeskinder mehr gefallen an – Tintin finden.

Nun wird passenderweise in der Episode „Tim im Kongo“ der Titelheld vom Magazin Le Petit Vingtième eben dorthin geschickt, um eine Reportage zu machen. Damit, so das Kalkül der Zeitungsmacher, sollte die Anwesenheit der katholischen Kolonialherren verherrlicht und die Moral für die Mission gestärkt werden. Der junge Hergé ließ sich bereitwillig in diese Propagandamaschinerie einspannen und verpasste den „wilden“ Kongolesen ein dementsprechend primitives Aussehen. Wie es in Zentralafrika wirklich aussah, konnte der Zeichner auch nicht beurteilen: Hergé hat den Kongo nie bereist. Erstaunlich ist, dass „Tim im Kongo“ trotz dieser ideologischen Scheuklappen selbst heute unter den Lesern des vom Bürgerkrieg zerütteten Kongo immer noch hohe Popularität genießt. Tim ist dort heute ein Popstar und wird in unzähligen Variationen von örtlichen Kunsthandwerkern verewigt. DF FOTO: ARTE