„Chance im Kampf gegen Islamisten“

Pakistans Exbotschafterin in den USA, Syeda Abida Hussain, fürchtet sich nicht vor einer „Talibanisierung“ des Landes und begrüßt, dass sich der amtierende Präsident Musharraf auf die Seite der Amerikaner gestellt hat

BERLIN taz ■ „Jetzt sind wir wieder ein Frontstaat“, sagt die pakistanische Politikerin Syeda Abida Hussain. Nachdem sowjetische Truppen 1979 Afghanistan besetzt hatten, hätten sich die USA schon einmal so sehr für Pakistan interessiert wie heute. „Doch sie ließen uns nach dem Abzug der Sowjets aus Afghanistan 1989 fallen“, bedauert Abida Hussain beim Gespräch mit der taz in Berlin.

Sie weiß, wovon sie spricht. Von 1991 bis 1993 war sie Botschafterin ihres Landes in Washington. Damals war die Politikerin der Muslim-Liga mit ersten US-Sanktionen gegen ihr Land nach dem Abzug der Sowjets konfrontiert. „Jetzt fragen wir uns, ob uns die Amerikaner vielleicht bald wieder fallen lassen werden.“ In den 90er-Jahren habe die fehlende Unterstützung Pakistans durch die USA und Europa laut Abida Hussain dazu geführt, dass der religiöse Extremismus angewachsen sei. Auch die ausgebliebene diplomatische Unterstützung im Kaschmirkonflikt mit Indien habe den Extremisten in die Hände gespielt.

Doch die jetzige Gefahr der Talibanisierung ihres Landes redet die 53-Jährige lieber klein. „Die Fanatiker zählen nur einige tausend und nicht hunderttausende. Die große Mehrheit der Bevölkerung will nur ein besseres Leben“, sagt die Mutter dreier Kinder. Hätte sich Pakistan wirtschaftlich besser entwickelt, hätte dies auch auf Afghanistan abgestrahlt und zum Beispiel dortigen Frauen gegen die Unterdrückung geholfen.

Abida Hussain gehört einer wohlhabenden Politdynastie aus dem Punjab an. Ihr Vater, ein Oberst, arbeitete an Pakistans erster Verfassung mit und war nach der Unabhängigkeit Parlamentsabgeordneter. Sie war wie auch ihr Mann bis 1999 mehrfach Ministerin, bis beide ihre Parlamentsmandate durch den Putsch des amtierenden Präsidenten, General Pervez Musharraf, verloren. Der hatte das Parlament aufgelöst. Heute bereitet sich schon ihre mittlere Tochter darauf vor, sie politisch zu beerben.

„Die jetzige Krise hat mein Land und die Welt sicher nicht gebraucht. Aber sie bietet eine Chance, Pakistan vom religiösen Extremismus zu befreien“, meint Abida Hussain. Sie trägt ein traditionelles Gewand, ganz westlich ohne Kopftuch oder Schleier. Es sei gut, dass Präsident Musharraf sich deutlich auf die Seite der USA gestellt habe, worin ihn die beiden großen von ihm entmachteten Parteien, die Volkspartei der Expremierministerin Benazir Bhutto und die Muslim-Liga des gestürzten Premiers Nawaz Sharif, unterstützen. „Doch Musharraf hätte sofort eine Regierung der nationalen Einheit unter Einschluss der beiden Parteien berufen sollen. Das hätte den Kampf gegen die Fanatiker erleichtert“, kritisiert sie. Stattdessen versuche Musharraf jetzt allein aus der Situation Kapital zu schlagen und seine Position zu stärken. Das sei jedoch für das ganze Land riskant.

Der US-Regierung möchte sie im Umgang mit den Taliban und Ussama Bin Laden öffentlich lieber nichts empfehlen. Sie sagt nur: „Bisher haben es die USA immer sehr gut verstanden, effektiv Zuckerbrot und Peitsche einzusetzen.“ SVEN HANSEN