Pläne für Zukunft Afghanistans

US-Regierung erarbeitet offenbar bereits Wiederaufbaupläne für Afghanistan. In Berlin diskutierte der Staatsminister im Auswärtigen Amt, der Grüne Ludger Volmer, mit Experten über die Zukunft des Landes nach dem Sturz des Taliban-Regimes

von EBERHARD SEIDEL

Erleichtert über die „bislang besonnenen Reaktionen“ der USA auf die Anschläge vom 11. September zeigte sich gestern in Berlin der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Ludger Volmer (Grüne). Bei allem „Irrtumsvorbehalt“ gebe es „Plausibilitätshinweise“, so Volmer auf der Veranstaltung „Radikalislamistische Gruppen: Herausforderungen für die internationale Politik“, dass Ussama Bin Laden hinter den Anschlägen steckt. Nähere Ausführungen machte der Staatsminister allerdings nicht. Bei den deutsch-amerikanischen Konsultationen werden laut Volmer derzeit die Optionen für den Sturz des Taliban-Regimes in Afghanistan ebenso diskutiert wie die Frage, wie ein posttalibanisches Afghanistan aussehen soll.

Citha Maaß von der Stiftung Wissenschaft und Politik stellte einen Stufenplan zur Befriedung Afghanistans vor, an dem nach ihrer Auskunft „seit wenigen Tagen in mehreren Hauptstädten hinter den Kulissen“ gearbeitet wird. Laut Maaß sei zwar noch nicht abzusehen, wie ein US-Militärschlag gegen Afghanistan aussehen könnte. Nur so viel lasse sich schon jetzt sagen: Je schwächer der Militärschlag ausfalle, desto leichter ließe sich auch die Destabilisierung unter Kontrolle halten, die von den zu erwarteten Massenprotesten vor allem in Ländern wie Pakistan ausgehe.

Der Plan zur „Befriedung Afghanistans“, so Maaß, gehe von drei Prämissen aus. Erstens: Das Taliban-Regime wird in absehbarer Zeit „implodieren“. Zweitens: Die oppositionelle Nordallianz wird nicht als Nachfolgeregierung eingesetzt. Drittens: Die USA beziehen schon jetzt politische Weichenstellungen in ihre militärische Planung ein.

Der „Befriedungsprozess“ soll laut Maaß in drei Phasen realisiert werden. Die erste Phase solle mit dem Zusammenbruch des Taliban-Regimes enden. Um dieses Ziel zu erreichen, werde die Nordallianz bereits durch die USA und Russland aufgerüstet. Gleichzeitig würden im nicht paschtunischen Norden lokale Kommandanten gekauft. Im Süden, im paschtunischen Kernland der Taliban, sollen Lokalführer mit Geld und anderen Angeboten zum offenen Aufstand gegen die Taliban veranlasst werden. Unbekannt blieben Zeitpunkt und Art eventueller US-Militärschläge. Dieser ganze Prozess solle durch Aktionen der humanitären Nothilfe begleitet werden.

Nach dem Sturz der Taliban soll durch einen Aufruf des im Exil lebenden afghanischen Exkönig Mohammed Zahir Schah eine große Ratsversammlung eingeleitet werden, an der Vertreter aller ethnischen Gruppen und politischen Organisationen teilnehmen. Daneben müsse ein befristetes UN-Mandat Sicherheit und Organisationshilfe gewährleisten. Während der Vorbereitung des politischen Prozesses solle ein international finanzierter „Marshallplan“ für den Wiederaufbau des Landes eingeleitet werden. An diesem wird laut Maaß bereits in Washington gearbeitet. In den nächsten Tagen findet zu diesem Thema eine Sondersitzung der EU statt, so Maaß. In der dritten Phase soll eine Interimsregierung Wahlen vorbereiten und eine gesetzgebende Versammlung mit der Ausarbeitung einer Verfassung beauftragen.

Jochen Hippler, Mitarbeiter am Institut für Entwicklung und Frieden, sieht in diesem „Befriedungsplan“ jedoch alles andere als eine beruhigende Perspektive. Wie solle ausgerechnet mit der Nordallianz und den traditionellen Stammesfürsten ein Modernisierungsprozess eingeleitet werden, der sowohl Frauenrechte als auch freie Wahlen einschließt?, fragte Hippler. Die Antwort von Maaß: „Jetzt schlägt die Stunde der Exilafghanen.“