Der Tunnel am Ende des Lichtes

■ HSV steckt nach 0:0 in Nürnberg tief im Elend. Jetzt soll es Kurt Jara als Trainer richten

Die Mannschaft ohne Mumm, die Fans in Rage und der Vorstand weiter in der Kritik – die Krise beim Hamburger SV spitzt sich zu. Der eine Punkt bei der trostlosen „Nullnummer“ gegen den 1. FC Nürnberg haben bei dem seit nunmehr sechs Spielen sieglosen HSV die Kluft zwischen Anspruch und bitterer Realität um keinen Zentimeter verkleinert. „Der Tabellenplatz ist eine Schande“, schimpfte Erik Meijer und erteilte einigen Schönrednern beim Viertletzten der Bundesliga genauso wie Präsident Werner Hackmann eine deutliche Abfuhr. „Die Spieler hatten Angst“, stellte der HSV-Chef erschrocken fest. Immerhin scheint zumindest in der Trainerfrage jetzt Klarheit zu herrschen: Kurt Jara will es machen.

Auch wenn Aushilfstrainer Holger Hieronymus erkannt haben wollte, dass „jeder bereit war, für den anderen in die Bresche zu springen“, konnte von bedingungslosem Einsatz keine Rede sein. Spielerische Qualität und Mut zur Offensive fehlten völlig. Weil Nürnberg im Abschluss schwach war, hätten die Hanseaten sogar fast noch gewonnen. Aber Nürnbergs Torwart Darius Kampa rettete gegen den allein anrennenden Sergej Barbarez (68.) und somit den verdienten Punkt.

Hieronymus versuchte, die prekäre Lage schönzureden: „Wir müssen jetzt kleine Brötchen ba-cken. In unserer Lage kommt es nicht darauf an, einen Schönheitspreis zu gewinnen.“ Der Manager stand mit seinen Platitüden nicht allein. Barbarez sprach von „einem Schritt nach vorne“. Viel Arbeit kommt auf jeden Fall auf den neuen Trainer zu, der jetzt endgültig Kurt Jara heißen soll. „Ich habe mich entschieden“, sagte der Österreicher, der am Mittwoch offiziell in Hamburg vorgestellt werden soll. Nach Informationen der österreichischen Nachrichtenagentur APA ngeblich soll Jara seinen gesamten Trainerstab aus Tirol mitbringen.

Auf der heutigen Vorstandssitzung will sich der HSV zunächst aber mit seinen Fans beschäftigen, die in Nürnberg mit Plakaten und „Wir haben die Schnauze voll“-Rufen den HSV-Stars die Leviten lasen. Hieronymus fand die Wut der Anhänger suspekt und forderte sie auf, erst mal zu überprüfen, „wie sie im eigenen Job arbeiten“.

Genau das fordert der aus dem Aufsichtsrat zurückgetretene Ex-Bürgermeister Henning Voscherau von Vorstand und Aufsichtsrat des HSV. Voscherau ist verärgert darüber, dass er zur entscheidenden Sitzung im Fall Pagelsdorf nicht gerufen worden war. Er vermutet, dass Aufsichtsratschef Udo Bandow ihn absichtlich nicht eingeladen habe. „In der regulären Sitzung des Aufsichtsrats fünf Tage vor der Entlassung Pagelsdorfs, hatte ich angekündigt, zunächst über den Vorstand und seine Verantwortlichkeit in diesem Fall zu sprechen. Ausgerechnet danach gelang es nicht, mich per Fax zu der Sondersitzung mit dem Punkt Trainerfrage zu laden“, wundert sich Voscherau.

Eine Vorstandssitzung mit dem Thema „Anspruchskorrektur und Selbstkritik“ sollte demnach vor der Auseinandersetzung mit den eigenen Fans angesetzt werden.

taz/Gerd Münste r