Ausdauernd – und ein bisschen verrückt

Die Triathletin Wenke Kujala aus Berlin strebt am Samstag beim legendären Ironman auf Hawaii einen Platz in den Top Ten an. Damit würde das 23-jährige Naturtalent endgültig in die Weltspitze der eisernen Frauen vorstoßen

An ihren ersten Aufenthalt auf Hawaii kann sich Wenke Kujala noch gut erinnern. In bester Form und guten Mutes war die schlanke Frau im Vorjahr auf die Pazifikinsel gereist, um sich dort der härtesten Ausdauerprüfung der Welt, dem Ironman Hawaii, zu unterziehen. Eine Woche vor dem Rennen ist es dann passiert: Beim Radtraining auf dem Highway kam die Berliner Triathletin zu Sturz, in dessen Folge schürfte sie sich die ganze linke Körperseite mit Lavasteinchen auf. Höllisch weh tat das; „eigentlich“, sagt Wenke Kujala, „konnte ich das Rennen da abhaken“.

Sie hat es nicht getan, sondern ist dennoch an den Start gegangen, um 3,8 Kilometer zu schwimmen im Pazifik, 180 Kilometer Rad zu fahren in der brütenden Hitze des Queen Kaahumanu Highway und schließlich noch einen Marathon zu laufen. 11 Stunden und 17 Minuten hat die 23-jährige Berlinerin gebraucht bis ins Ziel nach Kailua Kona, die Platzierung hat sie mittlerweile vergessen, sie war ihr ohnehin zu schlecht. „Ich war einfach nur noch froh, überhaupt ins Ziel gekommen zu sein“, erinnert sich Wenke Kujala.

Am Freitag ist sie wieder in den Flieger Richtung Kona gestiegen, optimal präpariert ist die Berlinerin allerdings auch dieses Mal nicht. „Anfang April war ich in Topform“, erzählt Wenke Kujala, Ende April knallte sie dann mit dem Rad auf einen Lkw. Die Folge: ein zertrümmertes Schlüsselbein. „Für mich ist da eine Welt zusammengebrochen“, sagt die 23-Jährige, weil sie in den ersten Monaten des Jahres mehr trainiert hatte als je zuvor in ihrer noch jungen Triathlon-Karriere. Damit nicht genug: Weil sie es nach der Operation nicht abwarten konnte und einen Monat später schon wieder auf dem Rad saß, lockerte sich eine jener Schrauben, die das gerichtete Schlüsselbein zusammenhalten. Die Schraube musste nachgezogen werden – und Kujala im Juli erneut operiert.

Das klingt durchaus ein bisschen verrückt, auf jeden Fall unvernünftig; vielleicht aber muss gerade aus solchem Holz geschnitzt sein, wer sich der Ironman-Tortur unterzieht und dabei auch noch erfolgreich ist. Wenke Kujala jedenfalls stand einen Monat danach bereits wieder am Start, beim Ironman-Wettbewerb in Zürich. Sechste in 10:17 Stunden wurde sie dort und war darüber „ziemlich enttäuscht“, weshalb sie gleich einen Tag später die Reise nach Kanada buchte, um auch dort Ende August bei einem Ironman zu starten – und diesmal Zweite zu werden in neuer persönlicher Bestzeit von 10:10 Stunden.

Das ist einerseits ein toller und ganz bestimmt der größte Erfolg für Wenke Kujala, gleichsam aber stutzt er die Erwartungen für nächsten Samstag auf Hawaii doch deutlich zurecht. „Ich werde beim Marathon für Kanada und Zürich bezahlen müssen“, sagt Kujala, weil kein Mensch drei Ironman-Wettbewerbe in nur drei Monaten in Bestform absolvieren kann, schon gar nicht eine 23-jährige Frau, die sich der Schinderei erst seit zwei Jahren ernsthaft widmet. „Top Ten“, sagt die gelernte Prophylaxehelferin, die mit dem Eishockeyprofi Petri Kujala von den Berlin Capitals verheiratet ist, dennoch und meint damit ihr Ziel für Samstag. Das ist mutig formuliert, denn zum einen müsste sie dann wohl ihre Bestzeit unter die 10-Stunden-Marke drücken, was dem Eintritt in die Weltspitze gleichkäme; zum anderen hätte sie damit allemal gute Chancen, das Rennen als beste Deutsche zu finishen.

Dass sie sich mit dieser hohen Zielsetzung übernehmen könnte, glaubt die 23-Jährige indes nicht, ohnehin lässt der bisherige Verlauf ihrer Triathlon-Karriere so ziemlich alles möglich erscheinen, enormes Steigerungspotenzial inbegriffen. Schon deshalb, weil Wenke Kujala bisher mehr oder weniger auf eigene Faust ihr Training zusammengestellt hat, nach Hawaii soll sich das ändern. „Bisher konnte ich die Umfänge, die ich trainiert habe, noch gar nicht umsetzen“, begründet das Wenke Kujala, was kein Wunder ist, bei jemandem, der bisher in erster Linie von seinem naturgegebenen Talent gelebt hat. Unter der Anleitung eines Trainers hofft die 23-Jährige, die für Bayer Uerdingen startet und in einer Trainingsgruppe beim BSV Friesen trainiert, daraus noch mehr machen zu können. „Eine Top-Fünf-Platzierung auf Hawaii ist in nicht allzu ferner Zukunft möglich“, sagt Wenke Kujala. Vielleicht schon bei ihrer nächsten Reise nach Hawaii.

FRANK KETTERER