Die Ruhe zahlt sich aus

Ausgerechnet der in dieser Saison noch sieglose VfL Wolfsburg vermasselt Tabellenführer Kaiserslautern einen neuen Bundesligastartrekord. Dafür darf Wolfgang Wolf weiter Trainer bleiben

aus Wolfsburg FRANK KETTERER

Die Erleichterung kam aus allen Ritzen hervorgekrochen und es schien, als lege sie sich einem sanften Teppich gleich über das kleine Fußballstadion in der Autostadt. In der Schlange beim Bierstand, auf den gut gefüllten Rängen im Stadionoval und sogar auf der noch voller besetzten Pressetribüne atmeten die Menschen ganz tief durch, als es geschafft war und wenigstens für diesen Spieltag alles wieder gut. 2:0 gewonnen gegen den 1. FC Kaiserslautern, zum ersten Mal überhaupt in dieser gar nicht mehr so jungen Saison – da musste man schon Verständnis aufbringen dafür, dass die Gefühle ein bisschen in Wallung gerieten beim VfL Wolfsburg, bei Spielern wie Anhängerschaft gleichermaßen übrigens. „Heute fängt die Saison für uns erst an“, gab etwa der Spieler Wolfgang Müller noch in den Katakomben zu Protokoll, während draußen die Fans den Trainer forderten – und zwar ausdrücklich nicht dessen Kopf, sondern den ganzen Kerl, schließlich gedachten sie Wolfgang Wolf gerade als „den besten Mann“ zu feiern.

Das ist schön zu hören von den Anhängern eines Vereins, der bis vor diesem Spieltag auf Tabellenplatz 18 gedümpelt war und in sieben Spielen jämmerliche drei Punkte zusammengekratzt hatte, in der Branche selbstverständlich ist es nicht. Freilich: Irritationen, gelinde gesagt, hatte es auch in Wolfsburg gegeben, nicht nur bei den Fans. Und auch nach dem Sieg über den Tabellenführer aus der Pfalz war Manager Peter Pander weit davon entfernt, nur Friede, Freude, Eierkuchen zu spielen. „Es ist nicht plötzlich alles gut“, stellte der Manager vielmehr mit Verweis auf den gerade eroberten Tabellenplatz 16 fest. Andererseits vergaß er auch die Umstände nicht zu erwähnen, die den VfL überhaupt erst in diese Situation gebracht haben: „Uns ist die Mannschaft komplett auseinander gebrochen“, so Pander, weil zum einen Leistungsträger wie Sebescen oder Hengen den VfL nach der letzten Saison verlassen, zum anderen Verletzungspech sich in dieser Runde zum treuen Begleiter aufgeschwungen hatte. Entsprechend schwer hatten es die Neuzugänge.

Solch differenzierte Sicht auf die Dinge des runden Leders findet nicht überall statt, wahrscheinlich hätten sie sie sich auch in Wolfsburg nicht mehr allzu lange leisten können. „Der Druck wäre immens geworden“, gibt auch Pander zu, für den Fall nämlich, dass auch Saisonspiel acht in der Hose geendet hätte. Es hat nicht, was Wolfgang Wolf, dem schon phonetisch so wunderbar zu Wolfsburg passenden Trainer, die Gelegenheit gab, aller Welt zu erzählen, wie „wir hier immer in Ruhe weiterarbeiten konnten“. Nun zahlte sich genau das aus. Dass Trainer und Mannschaft sich nach wie vor nicht schlecht verstehen, war schon nach dem 1:0 durch Andrej Juskowiak in Minute 14 sichtbar geworden, als der erste Gang des Torschützen direkt beim Trainer und in herzlicher Umarmung endete. Zudem bestätigt wurde mit dem Treffer die Theorie von der Verletztenmisere als Quell allen Übels: Auch Juskowiak hatte allzu lange Zeit nicht mitwirken können, nun schoss er in seinem zweiten Saisonspiel sein zweites Tor.

Ein Treffer, der später von den Wolfsburgern als Wende zum Guten empfunden wurde, schon weil es das erste Mal überhaupt war, dass die Wölfe in dieser Saison in Führung gehen konnten, sonst waren stets sie es, die den ersten Treffer kassiert hatten. „Das hat uns Selbstvertrauen gegeben“, fand Torschütze Juskowiak. Zwar berannten die offensiv ausgerichteten Kaiserslauterer, bei denen sowohl Mario Basler als auch der französische Weltmeister Youri Djorkaeff in Halbzeit eins die Bank drücken mussten, das VfL-Tor nach kurzer Besinnungsphase vehement, Torhüter Claus Reitmaier, später als Matchwinner gefeiert, aber konnten sie nicht bezwingen. Und je länger demTabellenführer dies nicht gelang, umso mehr holte sich der Tabellenletzte das Spiel zurück. Ab Minute 70 hatte Wolfsburg die Partie vollends im Griff, Treffer Nummer zwei durch Frank Greiner (82.) fiel beinahe zwangsläufig.

„Am Ende hätten wir sogar noch höher gewinnen können“, stellte Wolf später erstaunt fest, was allerdings selbst für ihn „des Guten zu viel“ gewesen wäre, schon weil der Gegner Kaiserslautern hieß und dessen Trainer Andreas Brehme. Vor einigen Jahren haben die beiden Übungsleiter gemeinsam selbst noch beim FCK gekickt, Freunde sind sie bis heute geblieben. Nun half Brehme diese Freundschaft sichtbar über den Schmerz der Niederlage hinweg, auch wenn sie den Traum vom alleinigen Bundesligastartrekord von acht Siegen in acht Spielen jäh zunichte machte. Immerhin Tabellenführer sind die Lauterer geblieben, nach dem, was am Samstag von ihnen zu sehen war, werden sie aber auch das nicht ewig sein. Zumal in den nächsten fünf Partien Gegner wie Bayern München, Leverkusen, Schalke und Dortmund anstehen.

VfL Wolfsburg: Reitmaier - Greiner, Schnoor, Franz - Kryger - Müller (78. Plassnegger), Karhan (69. Kühbauer), Franz, Rau - Munteanu - Juskowiak, Petrow (74. Ponte)1. FC Kaiserslautern: Georg Koch - Klos, Hengen, Knavs - Grammozis, Ramzy, Ratinho, Strasser (46. Djorkaeff) - Lincoln (46. Basler) - Lokvenc, Klose (54. Mifsud)Zuschauer: 14.700; Tore: 1:0 Juskowiak (14.), 2:0 Greiner (82.)