schnittplatz
: Willkommen, „FAZ“ am Sonntag

Und jetzt? Jetzt sind wir ein bisschen enttäuscht. Dabei haben sich alle anderen solche Mühe gegeben: Der Tagesspiegel hat KolumnistInnen zugekauft, dass einem für die KollegInnen in den Lokal-, Brandenburg- und sonstigen glamourfreien Ressorts des nicht allzu gewinnbringenden Blattes Bange wird, weil irgendwann irgendwer ja das Ganze bezahlen muss.

Die Welt am Sonntag heißt im Untertitel „Sonntagszeitung für Deutschland“, ist nach Berlin umgezogen und hat extra für die gestrige Ausgabe Kati Witts angebliches Stasi-Geheimnis nebst Uli Wickerts neuem Wertkanon angeschleppt.

Plus ein „exklusiv-Interview“ mit Franz Beckenbauer über dessen Frust am Münchner Unwillen, ihm ein neues Stadion dahin zu bauen, wo er’s hinhaben will (nach Fröttmaning nämlich) – sowie markigen Sätzen über die Zustände in der Nationalmannschaft.

Und die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung? Sie hat ein Interview mit einem gewissen Franz Beckenbauer über dessen Frust am Münchner Unwillen, ihm ein neues Stadion dahin zu bauen, wo er’s hinhaben will (nach Fröttmaning nämlich) – sowie markigen Sätzen über die Zustände in der Nationalmannschaft. Und weil auf die Fragen aus der FAS prima die Antworten in der WamS passen (und natürlich auch umgekehrt), hatdie FAS immerhin nicht „exklusiv“ drüber geschrieben – sondern noch ein bisschen zum geplanten Börsengang des FC Bayern gefragt.

Der „Kaiser“ also in beiden Blätter, jeweils angekünigt samt Konterfei unter dem Blatttitel, der bei beiden Blättern – nun ja: blau ist. Die WamS wirkt dabei tröstlicherweise unaufgeräumt wie immer, das FAS-Layout dagegen elegant, schlicht – und mehr als ein bisschen wie eine etwas in die Breite geratene Berliner Zeitung.

Nun bringt die FAS nicht nur einen Feuilleton-Beitrag von Marcel Reich-Ranicki (was ungefähr so unvorhersehbar war wie der von Helmuth Karasek im Tagesspiegel). Nein, das neue Blatt hat sogar den Kanzler.

Dahinter steckt allerdings nicht unbedingt die emsige Arbeit kluger Köpfe, sondern – siehe Erstausgabe der Financial Times Deutschland im Februar 2000 – eher eine Art „Einführungsbonus“ für erstmals Erscheinendes von angenommener Gewichtigkeit. Und irgendwie scheint auch den FAS-Machern das Frage- und Antwortspiel mit Gerhard Schröder nicht ganz geraten zu sein: Anders als der Kaiser wird der Kanzler auf der Titelseite nur ganz unten angekündigt.

Politisch liegt der Titel, der uns alle, alle endlich zu Sonntags-LeserInnen machen soll, recht kläglich auf Mutterblatts Linie. Und da das Feuilleton, in der FAZ Hort des Binnenpluralismus, in der FAS eine Mischung aus FAZ-„Berliner Seiten“ und Süddeutsche-Magazin spielt, fehlt die Gegenstimme.

„Was haben Frank Schirrmacher und der liebe Gott gemeinsam? Beide, der FAZ- wie der Bibelherausgeber sind Freunde wortgewaltiger Texte – und beide wollen am Sonntag unsere Selle retten“, schrieb gestern als Gruß nach vorn die vielleicht letzte Ausgabe des Freiburger Gratissonntagsblattes ZuS. Nun geht die ZuS nicht wegen der neuen kostenpflichtigen Übermacht aus Frankfurt baden. Bis es zur Seelenrettung taugt, müssen sich Schirrmacher und seine RedakteurInnen also noch anstrengen. STEFFEN GRIMBERG