Verbündete ohne Vertrauen

Die USA sind überzeugt, dass die Anschläge in Hamburg geplant wurden. Das FBI verdoppelt sein Fahnderteam in Deutschland

von LUKAS WALLRAFF

Ob sich Deutschland an militärischen Aktionen der USA beteiligen wird, ist noch unklar – doch bei der Suche nach den Tätern und Hintermännern der Anschläge vom 11. September spielt die Bundesrepublik schon jetzt eine Hauptrolle. Wie die Washington Post am Wochenende berichtete, sind die US-Ermittler immer mehr davon „überzeugt, dass die Details der Terrorverschwörung in Hamburg ausgebrütet wurden“.

Damit wächst auch der Druck auf die deutschen Behörden, konkrete Ergebnisse zu liefern. Ab heute beginnt eine bundesweite Rasterfahndung nach mutmaßlichen Terroristen – das beschlossen die Innenminister von Bund und Ländern schon am Freitag. Am Samstag übernahm Generalbundesanwalt Kay Nehm darüber hinaus die Ermittlungen gegen drei mutmaßliche islamistische Fundamentalisten in Wiesbaden (siehe unten).

Auch in Hamburg und Sachsen glauben die Behörden, weiteren verdächtigen „Personen arabischer Herkunft“ auf die Spur gekommen zu sein. Ein direkter Zusammenhang zu den Anschlägen vom 11. September oder gar zu Ussama Bin Laden konnte bei diesen Ermittlungen allerdings bisher nicht festgestellt werden.

Entsprechend gering scheint das Vertrauen der USA in die Arbeit der deutschen Behörden zu sein. Laut Washington Post hat die US-Bundespolizei FBI jetzt beschlossen, ihr eigenes Ermittlerteam in Deutschland zu verdoppeln.

Wie viele US-Agenten in Deutschland ermitteln und wie weit ihre Arbeit mit den deutschen Behörden abgestimmt ist – darüber gibt es keine Angaben. Auch bei der Suche nach den Tätern gilt offenbar, was US-Präsident George W. Bush in der vergangenen Woche über die militärischen Planungen der USA sagte: Manche Operationen würden bekannt, „andere werden verdeckt und geheim bleiben – selbst wenn sie erfolgreich sind“.

Nach den bisher vorliegenden Berichten hat das FBI noch keinen „Kopf“ der Attentäter ausfindig machen können. Viele Ermittler seien aber überzeugt, dass der Plan für die Anschläge in Hamburg ausgearbeitet wurde. Dort studierte der 33-jährige Mohammed Atta, der als Schlüsselfigur in der Anschlagsserie gilt. Atta soll eines der Flugzeug gesteuert haben, die in das World Trade Center rasten. Die US-Ermittler glauben laut Washington Post, dass Atta sowie zwei weitere mutmaßliche Flugzeugentführer Marwan Al-Shehhi und Ziad Samir Jarrah in Hamburg „eine terroristische Zelle aus einer Studentenwohnung geleitet haben“.

Der Terrorismusforscher Walter Purdy, Direktor eines Instituts in Washington, äußerte die Vermutung, dass drei separate terroristische Zellen die Anschläge vorbereiteten. Der Selbstmordpilot Mohammed Atta sei der Kopf einer dieser Gruppen gewesen, so Purdy, aber „eindeutig nicht der Typ, der alle drei Zellen koordiniert haben könnte“. Der Schlüssel zur Aufklärung liege im Aufdecken der Geldströme.

Nach Erkenntnissen des FBI sollen insgesamt bis zu 500.000 Dollar auf Bankkonten geflossen sein, die von Atta und anderen Verdächtigen benutzt wurden. In der Debatte über Antiterrormaßnahmen mehren sich nun die Stimmen für eine Aufhebung des Bankgeheimnisses. Bundeswirtschaftsminister Werner Müller sagte gestern: „Von mir aus braucht es das Bankgeheimnis nicht zu geben.“ Die Deutsche Bank bestätigte, dass sie den Ermittlungsbehörden bereits über Konten der Familie Bin Ladens Auskunft gegeben habe.

Auch bei der Eingrenzung der Beteiligten an den Selbstmordanschlägen gibt es neue Erkenntnisse aus Deutschland. Laut New York Times haben deutsche Ermittler aus einem abgehörten Gespräch erfahren, dass insgesamt 30 islamische Extremisten an der Vorbereitung der Anschläge beteiligt waren. 19 starben bei den Selbstmordanschlägen.

Der US-Sender CNN berichtete unter Berufung auf nachrichtendienstliche Quellen, mindestens 4 der 19 mutmaßlichen Attentäter hätten in Lagern in Afghanistan trainiert. Diese Camps seien von dem gesuchten mutmaßlichen Terroristenführer Ussama Bin Laden geleitet worden.

Auch bei den Ermittlungen in Hamburg geht es also darum, Beweise zu finden, ob Bin Laden wirklich das „Mastermind“ hinter den Anschlägen war. Der britische Premier Tony Blair verkündete gestern, er habe „absolut eindrucksvolle, unbestreitbare Beweise“ dafür gesehen. Ein Teil dieser Beweise könne jedoch nicht veröffentlicht werden, sagte Blair in der BBC.