„Man fühlt sich wie im Big-Brother-Haus“

Die TU Berlin hat im Zusammenhang mit der Rasterfahndung des Landeskriminalamtes bereits Daten von rund 400 Studenten aus 14 arabischen Ländern weitergegeben. Gewusst hat’s kaum ein Student, nur mancher kann es verstehen

Die Berliner Universitäten haben sich vergebens verweigert. Das Amtsgericht Tiergarten hat sie in der letzten Woche dazu aufgefordert, Angaben zu Studenten aus 14 arabischen Ländern offen zu legen. Welche Staaten davon betroffen sind, bleibt Amtsgeheimnis. Die Pressesprecherin der Technischen Universität, Kristina Zerges, hat „Bauchschmerzen“ mit der Weitergabe der Daten. Erfolgt ist sie trotzdem.

Doch die meisten der vermutlich betroffenen Studenten scheinen kaum etwas davon zu wissen. Das Wort „Rasterfahndung“ sagt ihnen wenig. Aber einig sind sie sich, dass ein Pauschalverdacht gegen Studenten arabischer Herkunft ungerecht ist. „Ich kann das Sicherheitsbedürfnis der Deutschen verstehen“, sagt Mohammed, 29, der aus Marokko kommt und an der TU der Elektrotechnik studiert. „Aber wird es jetzt irgendwann einen Extrastempel für die arabischen Studentenausweise geben?“

Viele der Studenten betonen, dass Terrorismus weder an Nationalität noch an Religion gebunden sei. Deshalb sieht Mohammeds Freund Ahmed, 26, keinerlei Beweise für einen pauschalen Verdacht gegen Araber. Seine Befürchtung ist, „dass jetzt die rechten Kräfte in Deutschland die Möglichkeit haben, rassistische Gesetze zu machen“.

Einige wenige der ausländischen Studenten sind mit der Datenweitergabe einverstanden. Der 37-jährige Afshin gehört zu der kleinen Gruppe: „Wir als Iraner sind ja selbst von Fundamentalismus betroffen. Und den gibt es überall.“ Sein Freund sagt, „du siehst doch selbst verdächtig aus“. Aber Afshin hat dennoch nichts gegen die Datenweitergabe – obwohl er sie nicht für zweckmäßig hält. Um den Terrorismus zu bekämpfen, müsse man die Probleme im Nahen Osten lösen.

Was das Klima an der Universität anbelangt, so sind die Meinungen geteilt. Einige sagen, dass sich bislang nichts für sie geändert habe. Andere fühlen sich wie Khalid ständig beobachtet. Er studiert seit zehn Jahren in Deutschland und ist mit einer Deutschen verheiratet. Unter den momentanen Umständen ist er unsicher, ob er sein Studium fortsetzen soll: „Was soll man davon halten? Man fühlt sich wie im Big-Brother-Haus. Ich habe zwei Bekannte, die schon telefonisch nach ihren persönlichen Daten gefragt worden sind. Sie wissen nicht, von wem.“ Kristina Zerges von der TU weiß nur von der Weitergabe personenbezogenen Materials von 400 Studenten. Sie teilt aber die Verunsicherung der Studenten: „Jetzt werden möglicherweise Personen verdächtigt, die gar nicht verdächtig sind.“ FRIEDERIKE GRÄFF/
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