Erfolgverwöhnter Dancefloor-Rennstall

■ Mit müdem Album zu Gast im CCH: Finden die Pop-Beat-Tüftler-Stars Faithless live zu alten Höhen?

Was ist los bei Faithless? Müdigkeit, Routine, London-Koller? Die Last der Gewohnheit oder die berühmt-berüchtigte Krise beim „verflixten dritten Album“?

Die Studioräume dürften dem erfolgverwöhnten britischen Dancefloor-Rennstall rund um Rollo, Sis-ter Bliss und ihren Frontprediger Maxi Jazz nur allzu bekannt sein. Und dennoch steht gerade ihr größtes Pferd im Stalle, das Millionen-Seller-Projekt Faithless, ein wenig mürrisch und vernachlässigt da. Wie hoch waren noch zu Anfang des Jahres die Erwartungen an den dritten Start, nachdem die ersten beiden Album – etliche Compila-tions und Remixe nicht mitgezählt – zu wegweisenden Legenden des Dancepop geworden waren. Nachdem sie atemberaubende Live-shows gespielt hatten, die vielleicht zuletzt den 93er Stereo MCs vergönnt waren. Nachdem Hohepries-ter Maxwell „Maxi“ Frazer zum fast messianischen Performer geraten war, etwa beim tobenden, nächtlichen Auftritt beim Hurricane-Festival 1999.

Die eigene Messlatte lag also hoch – und entsprechend lahmte der vielerorts herbeigesehnte dritte Anlauf. Outrospective, eben das dritte Studioalbum der britischen Beat-Tüftler, verpuffte nach mehrmaligem Hören, kommt allenfalls solide daher, dabei hoch professionell und – leider – mit wenig Seele. Spekulation wäre es zu behaupten, Faithless seien nur halbherzig zu Werke gegangen. Tatsache bleibt, dass die Veröffentlichung von Outrospective zumindest zeitlich mit einer Reihe von Nebenprojekten kollidierte.

Mehr oder weniger unter Ausschluss der Öffentlichkeit veröffentlichte der nicht gerade kleine Faithless-Stall in letzter Zeit einiges: Rollo arbeitet an seinem Solospielzeug Dusted, Paulie Hermans Skinny haben ebenso neues Material. Als Produzenten vergolden Sis-ter Bliss und Rollo zurzeit die Soloideen von Pauline Taylor. Wie gut sie das können, hatten sie mit der Positionierung von Rollos leiblicher Schwester Florian Cloud de Bounevialle Armstrong bewiesen, weniger sperrig zumeist Dido genannt (und seit der Verwendung eines Refrain-Samples durch den Trailer Park-Rapper Eminem wohl weltbekannt).

Jamie Catto ging derweil mit dem Produzenten und Musiker Duncan Bridgeman für ihr ambitioniertes Projekt 1 Giant Leep auf Wanderschaft. Rund um den Globus holten sie Gäste vor ihr digitales Kleinststudio. Von weltmusiktauglichen Trommel- und Sitar-Combos bis hin zu Stars wie Robbie Williams oder Michael Stipe. Parallel erscheint eine DVD mit Kurzfilmen (für die sich Dennis Hopper, Meryl Streep oder Harvey Keitel als Akteure begeistern ließen).

Grund genug also, nicht die geballte Kreativität in das Mutterprojekt Faithless zu stecken, gab es allemal, so könnte man meinen. Doch wer weiß. Auch früher wurde die durchaus Bravo-VIVA taugliche Band gerne mit Missachtung gestraft. Bis sie live spielten, Samples und Instrumente zu einer berauschenden Melange verrührten. Also: all die krausen Stirnfalten vergessen und den Abend im CCH 3 abwarten. Dass bei Faithless einiges geht, haben sie hinlänglich bewiesen. Volker Peschel

mit Kosheen: Sonntag, 20 Uhr, CCH 3