Tastenspiel für Fortgeschrittene

„Spiel nicht, was da ist, sondern was nicht da ist“: Die Jazz-Pianisten Chick Corea und Gonzalo Rubalcaba gleiten durch die Musiken der Welt  ■ Von Gerd Bauder

Als Chick Corea Ende der sechziger Jahre seine internationale Karriere an der Seite von Miles Davis begann, irritierten ihn dessen kryptische Anweisungen. In der Art eines Zen-Meisters verweigerte sich der Bandleader nüchternen Analysen und empfahl seinem Pianisten stattdessen: „Don't play what's there, play what's not there“. Die Idee dahinter – deren Resultat auf den bahnbrechenden Miles Davis-Alben Bitches Brew und In A Silent Way nachzuhören ist – war, sich der Musik nicht vom gewohnten Standpunkt oder in Konventionen denkend zu nähern, sondern neue Wege zu gehen. Dies erschloss sich Corea während der intensiven drei Jahre, die er Davis begleitete, und verhalf ihm sicherlich auch zu der musikalischen Freiheit, die er ab 1971 mit seiner eigenen Free-Formation Circle zelebrieren konnte.

Nur scheinbar im Gegensatz dazu stand seine wenig später mit dem Bassisten Stanley Clarke gegründete Ur-Fusion-Band Return To Forever. Tatsächlich basierte auch das Treiben dieser Gruppe auf musikalischer wie geistiger Unvoreingenommenheit. Return To For-ever brachten – wie sonst wohl nur Herbie Hancock – den Jazz zurück in die Clubs und Charts, und sie bekamen dafür prompt einen Grammy verliehen. Doch schon 1975 löste sich die Band auf, deren funkigen Achtel-Grooves, dicken Basslinien und Moog-Orgien bis heute in der Popmusik nachhallen. Corea wandte sich nun verstärkt Projekten zu und spielte alles von elektronischer Musik über Klassik bis hin zu Solo- und Duo-Konzerten.

Erneut großes Aufsehen erregte er in den achtziger Jahren mit der Elektrik Band. Gemeinsam mit Dave Weckl und John Pattituci spielte er auf einem technisch derart hohen Niveau, dass ihm Heerscharen junger Musiker zu Füßen lagen. Gleichzeitig verlor er sich dabei aber in kalter Präzision und ließ die musikalische Vision, die sein Schaffen im Jahrzehnt zuvor bestimmt hatte, vermissen. Daneben konzentrierte er sich zunehmend auf die Klassik und erlangte nach Kooperationen mit bekannten zeitgenössischen Pianisten als ebensolcher große Reputation.

Heute, im Alter von sechzig Jahren – und wie einst sein Mentor Davis Leader einer jungen Band, New Trio –, gehört Corea zu den großen Pianisten der Welt, die mühelos Klassik, Jazz, Tradition und Modernität verbinden und zu spielen wissen, „was da ist und was nicht“.

Von ähnlich großer Beredtheit kündet auch Gonzalo Rubalcabas Spiel. Der 37-Jährige begab sich nach einer frühen und langen Klassikausbildung auf Kuba schon in jungen Jahren auf die Reise durch die Welt und ihre Musiken. Tourneen mit dem Orquestro Aragon durch Europa und Afrika ermöglichten dem Musiker schnell den Aufstieg in die Creme des Jazz. Nach Engagements bei Charlie Haden und Joe Lavano debütierte Rubalcaba 1990 auf dem renommierten Jazz-Label Blue Note.

Seither hat er auf zahlreichen Veröffentlichungen und in diversen Live-Formationen neben seinem Können stets seine atemberaubende Musikalität deutlich gemacht. Von Haus aus mit afro-kubanischer Tradition und europäischer Klassik vertraut, hat er diesen musikalischen Fundus durch seine Begegnungen mit der großen afro-amerikanischen Musikkultur ins Unüberschaubare erweitert.

Gemeinsam mit Chick Corea ist Gonzalo Rubalcaba gegenwärtig auf einer Fünf-Konzerte-Tour durch Deutschland. Den Abend gestalten die beiden solo und als Duo. Angesichts des Musikschatzes, den sie bei sich tragen und der kommunikativen Möglichkeiten, die sich dadurch ergeben, darf man sich auf ein außerordentliches Konzert freuen.

Dienstag, 20 Uhr, Musikhalle