Salsa, Schill, Sympathisanten

Die taz hamburg feierte ihren 20. Geburtstag zwei Abende lang mit Politik und Party: Es wurde diskutiert und nostalgisiert, Bier getrunken und auf gute alte und harte neue Zeiten angestoßen  ■ Von Peter Ahrens

Natürlich war Schill ein Thema, ab und an, immer wieder mal – „der soll ja auch Salsa gut finden“ – aber beruhigend zu wissen, dass taz-Leute, taz-Freunde und taz-Sympathisanten in diesen Tagen auch zusammenkommen können, ohne dass der Politrichter gleich wieder Gespräche und Szenerie bestimmt. An diesem Abend wird lieber gefeiert, wird sich wiedergesehen, wird Wein und Jever getrunken, getanzt, alten Zeiten nachgetrauert und auf die neuen angestoßen und nur ein bisschen politisiert. Die taz hamburg feierte am Dienstag- abend ihren 20. Geburtstag in der Motte in Ottensen mit über 300 Gästen. Ronald Schill war aber auch gar nicht eingeladen.

Dafür aber viele, die der taz zumindest ein bisschen oder gar ein bisschen mehr wohlgesonnen sind. Menschen aus Initiativen, sozialen Einrichtungen, Verbänden, auch ein paar aus der Politik, taz-Genossen und Leser und viele, denen einfach danach ist, mit der taz den Abend und einen Gutteil der Nacht zu verbringen. Dabei den Veteranen Thomas Ebermann und Rainer Trampert beim Kabarett zuzuhören, sich von Lira Mosquera in die Welt des Salsa mitnehmen zu lassen und anschließend tanzend dem zu folgen, was DJ Undine musikalisch vorgab: Die Tanzfläche war bei ABBA ebenso voll wie bei Manu Chao oder den No Angels – wer behauptet da noch, die taz wäre eine Zeitung für eine besondere Zielgruppe?

Vor das Feiern haben die Götter das Nachdenken gesetzt. No Angels war auch am Abend zuvor ein gutes Stichwort, denn es ging um die Zukunft der Stadt unter einer Rechtskoalition von CDU, FDP und Schill. Die taz hatte zur Podiumsdiskussion um die Folgen der Bürgerschaftswahl geladen, und die Stühle in der Aula der Altonaer Haubachschule reichten nicht aus, als dass alle, die interessiert waren und kamen, einen Sitzplatz erhalten konnten.

Wie gehts weiter? Wie wird sich das Klima in der Stadt verändern? Wer sind die Opfer? Und wie konnte es überhaupt so weit kommen? Fragen, auf die die Journalisten und Politiker auf dem Podium nur teilweise schon fertige Antworten parat hatten. Die Wahl ist noch frisch, und vor allem die Verlierer sind noch heftig mit Aufarbeitung beschäftigt. GAL-Parteichefin Antje Radcke suchte nach Erklärungen für das Wahldesaster ihrer Partei – „Die Unterschiede zwischen den Parteien, auch zwischen SPD und GAL haben sich viel zu sehr abgeschliffen“ – Regenbogen-Spitzenkandidatin Heike Sudmann erneuerte ihre Vorwürfe an die SPD, den repressiven Politik-Vorstellungen Schills den Weg bereitet zu haben, und Jochen Mehmel, der Vorsitzende der sozialdemokratischen Juristen, räumte ein, „wir haben es in keiner Weise geschafft, auf die Kampagne der Springer-Presse zur Inneren Sicherheit zu reagieren. Wir sind als selbstzufrieden und arrogant dagestanden.“

Nur Antje Blumenthal, die stellvertretende Vorsitzende der CDU-Fraktion in der Bürgerschaft, sagte im Hinblick auf ihren künftigen Koalitionspartner Schill: „Die Welt geht nicht unter, wenn die Regierung wechselt.“ Das mag sein, doch das wache Publikum gab sich damit nicht zufrieden. „Ole von Beust hat sich aus reiner Machtfrage heraus zum Steigbügelhalter Schills gemacht“, musste sie sich anhören und sich „einen extremen Mangel an Problembewusstsein“ attestieren lassen, als die CDU-Frau vorrangig die programmatischen Gemeinsamkeiten zwischen Schill und ihrer Partei betonte: „Beim Ehrenamt haben wir eine große Übereinstimmung.“ Immerhin gelang es, Blumenthal eine klare Ablehnung des von Schill in die Debatte eingebrachten Bettler-Papieres abzufordern: „Unsäglich“, so die CDU-Sozialpolitikerin sei dieses Papier, es gehe nicht an, „dass Bettler in den Bus gesetzt und an den Stadtrand gekarrt werden“.

Die Angst vor einem künftigen Senat, in dem Schill die Richtung bestimmt, „in dem die Sozialpolitik zum Wurmfortsatz wird und nur noch der Wettlauf um die schönste Repression startet“, wie der langjährige Mopo-Politikreporter Günter Beling befürchtet – sie wurde an diesem Abend überdeutlich. Da mag man das Positive mit der Lupe suchen müssen, aber es ist da: „Die Leute sind wieder viel mehr politisiert“, sagt Antje Radcke, und Beling erkennt, dass „einiges an der bleiernen Schwere der letzten Jahre weg ist: Es gibt wieder mehr Aktivität.“