Der nächste Schrei

■ Interview mit Hamburgs vielleicht antriebsschwächster Indierock-Band: Heute veröffentlichen „Sport“ ihr Debütalbum

„Nicht spielen können, aber schon mal 'nen Namen haben“, sagt Martin Boeters schmunzelnd, „das macht am meisten Spaß.“ Dabei hatte die Band, in der er am Schlagzeug sitzt, „schon zuerst Musik“, wie Sänger und Gitarrist Felix Müller betont. Der mal abgehangene, mal stürmische, euphorische wie zerknirschte Indierock des Hamburger Trios Sport stieß auf ermutigende Sympathie auch andernorts. „Bitte berühmt werden“, bat ein rheinländisches Pop-Zentralorgan, und zahlreiche Mailorderbesteller und Konzertbesucher, so sie denn Plattenspieler besaßen, hätten Schlechteres darauf legen können als die inzwischen vergriffene Debüt-Doppel-7-Inch. Man spielte etliche Konzerte an diversen Enden der Republik, war enthusiastisch – „das erste halbe Jahr“, sagt Christian Smukal (Bass), „war echt voller Action“. Das war 1997, „danach ging es abwärts“, so Müller. Ob die anderweitigen Beschäftigungen der Bandmitglieder (darunter ein Studium, Kante, Pizzafahren, Golf, Boredom Wave, improvisierte Musik in Schutzanzügen und ein Gitarrenladen) die lange Schaffenspause bewirkt haben oder umgekehrt, darüber gehen bandintern die Meinungen auseinander. Derzeit kommt jedenfalls Bewegung in die Sache: Heute Abend präsentieren Sport im Kir ihr erstes Album, ein Video ist in Arbeit und ein paar Auftritte vor Blumfeld soll es geben. taz hamburg sprach mit den selbst erklärten Moorleichen des Indierock über Warten als Zustand und Staub ansetzende Gags.

taz hamburg: Warum habt ihr damals kein Album nachgelegt? Stücke gab es genug, oder nicht?

Felix Müller: Ja, wir wollten aber hauptsächlich neue Stücke machen und ich bin dann mit den Texten nicht hinterhergekommen. Der Name der jetzigen Platte stand schon ziemlich schnell.

Martin Boeters: Der ist sozusagen schon abgestanden.

Müller: Es war auch ein Gag, zu sagen, man macht eine Platte, die These Rooms Are Made For Waiting heißt, wo klar ist: Das dauert noch ein bisschen. Aber das hat dann ganz schön lange gedauert – der Witz wurde irgendwann nicht mehr besser...

Christian Smukal: Gerade eine junge Band kann sich am Anfang keine künstlerische Pause leisten. Und genau das haben wir getan: Wir haben uns nach neuen Stücken einfach mal schön vier Jahre Zeit gelassen, um die nächsten zehn rauszubringen.

Eine Idee, die ich in euren Texten oft wiederfinde, ist: viel Zeit haben und das Falsche machen ... irgendetwas vermissen – eine unzufriedene Grundstimmung. Fühlst du dich selbst so?

Müller: Es ist nicht so, dass die Texte eins zu eins meine Meinung sind. Textlich bildet das Thema „Warten“ einen losen Zusammenhang, aber da sprechen auch andere Erzähler als ich. Dass das Thema immer wieder auftaucht, hat vielleicht mit so einem Grundgefühl zu tun. Aber die Platte ist so konzipiert, dass das gebrochen wird. Es geht nicht nur um Rumhängen. Zum Beispiel „Der letzte Schrei“: Da geht es eher um Zeitablauf. Wie etwas, das gestern mal aktuell war, heute behandelt wird. Warten ist da als Zeitspanne zu sehen, nicht als ein Zustand von Abhängen.

Es ist aber geschickt, so ein Stück zu machen, in dem man ausdrückt, dass Hipness- und Modernitätsansprüche egal sind. Es beantwortet im Voraus alle Fragen, warum ihr Musik macht, wie sie vor Jahren total groß war?

Müller: Dafür bräuchten wir so ein Stück nicht. Da könnte ich auch einfach sagen: Wieso nicht? Ich finde nicht, dass dieses Stück die Platte rund macht. Eher der Zusammenhang. Die ganze Platte hat schon eine Abfolge, die Sinn macht. Wo verschiedene Themenbereiche von Warten beleuchtet werden, und das spitzt sich dann zu und verschärft sich. Danach kommt dann „Dann doch“, wo sehr vage und bildlich ein Anfang beschrieben wird, aber gleichzeitig auch heisse-Luft-mäßig. Darin schwingt was mit von: Das ist nicht ein für alle Mal abgehakt mit dem Warten.

Mehr als bei manch anderer deutschsprachigen Band scheint mir bei euch der Gesang auf die Musik abgestimmt zu sein, sind Worte in Melodiebögen eingefasst. Viele deutsche Bands singen ja gerade deshalb auf Englisch, weil ihnen das Deutsche zu holprig erscheint.

Müller: Ich könnte genauso gut auf Englisch singen. Aber ich finde diese Unterscheidung nicht wesentlich. Es ist nicht wichtig, dass die Texte auf Deutsch sind. Es ist nur für die Leute das erste, was sie merken. Ich kann diesen Mechanismus nachvollziehen, finde es aber doof, eine ganze musikalische Kategorisierung auf ein Kriterium einzuschränken. Alles, was mit Musik und Texten zu tun hat, fällt da unter den Tisch. Wenn man Texte wie Morrissey machen würde und das auf Deutsch, dann würde trotzdem jemand sagen: Diskurspop. In zehn oder 15 Jahren hat sich sowas wahrscheinlich erledigt. Weil es jetzt so viele Sachen aus allen Bereichen gibt, wo deutsch gesungen wird.

Boeters: Vor allem HipHop.

Müller: Ja, der spielt eine entscheidende Rolle. Wobei das ja auch eine komische Sache ist: Da wird deutscher HipHop als eine Musikrichtung gesehen. Dabei ist das keine andere Musikrichtung als amerikanischer HipHop. Eine Sprache, bezogen aufs Herkunftsland, ist erst mal ein Trägermedium. Die Person, die diese Sprache spricht und die in dieser Sprache schreibt – es beeinflusst diese eigene Sprache der Person schon, dass sie in Deutschland aufgewachsen ist. Aber natürlich entwickeln Menschen eine eigene Sprache. Das ist sicherlich wesentlicher als die Frage nach der Nationalität.

Interview: Wiebke A. Kuhn

Sport: These Rooms Are Made For Waiting (Fidel Bastro/EFA); Konzert mit DJs und Überraschungen: heute, 21 Uhr, Kir