NATO-BÜNDNISFALL IST UNBEFRISTET, ES GIBT KEINE AUSSTIEGSKLAUSEL
: Veto für die USA

Der Bündnisfall ist eingetreten: Die USA fordern Unterstützung an. Die Beistandsverpflichtung unter Artikel 5 des Nato-Vertrages gilt ohne Einschränkung und ohne Befristung. Indem der Nato-Rat die Beweise der USA über eine auswärtige Beteiligung an den Anschlägen von New York und Washington akzeptierte, hat er auch die letzte Ausstiegsklausel beseitigt.

Wer jetzt nur darüber spekuliert, ob dies einen baldigen Einsatz der Bundeswehr bedeutet, lenkt von den gravierenden politischen Konsequenzen ab. Auf kriegsunerfahrene Bodentruppen wie die der Bundeswehr sind die US-Streitkräfte nicht angewiesen, auch wenn sie jetzt um Nato-Unterstützung nachgesucht haben. Genauso wenig benötigen die USA einen Bündnisfall, um sich Überflugrechte zu sichern. Und die britischen Eliteeinheiten hätten sich auch dann an einem US-Einsatz beteiligt, wenn die Nato nicht involviert worden wäre – ein Beispiel dafür ist der Dauerkonflikt mit dem Irak, der seit Jahren von Briten und Amerikanern gemeinsam bombardiert wird.

Der Bündnisfall macht aus Sicht der USA nicht so sehr aus militärischen, sondern vor allem aus politischen Gründen Sinn. Denn die Amerikaner wollen sich vor jeglicher Kritik an militärischen Intervention schützen. Und zwar auch dann, wenn das Entsetzen über die Anschläge vom 11. September nicht mehr die Tagespolitik dominiert. Zu Recht sieht Washington die Gefahr, dass die Unterstützung in Europa bald schwinden könnte, falls sich die Einsätze der US-Streitkräfte über Monate oder gar Jahre hinziehen und die Ziele immer diffuser werden.

Wann der für die USA bequeme Zustand des Bündnisfalles endet, liegt jetzt ganz in der Hand der US-Regierung. Kein Verbündeter wird den Amerikanern je belegen können, dass die Gefahr des internationalen Terrorismus endgültig beseitigt und die Sicherheit des Nato-Gebiets wieder hergestellt ist. Und da der Nato-Rat stets einstimmig entscheidet, könnten die USA die Aufhebung des Bündnisfalls immer verhindern. Washington hat jetzt in der Nato ein Vetorecht. ERIC CHAUVISTRÉ