Eine Moschee für Minderheiten in Frankfurt

Die Reformmuslime Ahmaddiyya opponieren gegen Frauenunterdrückung und den heiligen Krieg. 1.300 Moscheen laden zum Tag der offenen Tür

FRANKFURT/MAIN taz ■ Ein Garten am Stadtrand von Frankfurt am Main, Dahlien blühen, dahinter ein kleines Haus, rund gebaut und weiß gestrichen, zwei zierliche Minarette stehen an den Seiten, darüber ein grünes Kuppeldach.

Über den beiden Flügeltüren steht weiß auf grünem Grund geschrieben: „Niemand ist anbetungswürdig – außer Allah, und Mohammed ist sein Prophet.“ Das eint die über 3.000 Mitglieder der Ahmadiyya Muslim Jamaat mit den Muslimen anderer islamischer Glaubensrichtungen am Main. Die Unterschiede aber sind größer als die Gemeinsamkeiten.

Die Nuur-Moschee ist eine der rund 1.300 in der Bundesrepublik. Seit fünf Jahren laden sie am 3. Oktober zum „Tag der Offenen Moschee“ ein. Nuur, „Allahs Licht“, ist die älteste in der Stadt. 1959 ist sie eröffnet worden, damals mit dem Beifall in- und ausländischer Honoratioren vom Präsidenten der UNO-Vollversammlung und des Internationalen Gerichtshofes in Den Haag, Sir Zafrulla Khan, eingeweiht. Sie steht Besuchern anderer Glaubensrichtungen, sagt Mohammad Azeem Butt (27), eigentlich das ganze Jahr über offen.

Butt ist Student, kommt aus Pakistan und macht sich Sorgen um seine dort lebende Familie. Die Rasterfahndung in der Bundesrepublik, von der auch er betroffen sein wird, findet er „einerseits gut“, weil er selbst „ein reines Gewissen“ habe, „andererseits schlecht, weil jeder verdächtig ist“. Ahmadiyya ist eine junge islamische Religion. Jamaat, die Weltgemeinde, beruft sich auf Hazrat Mirza Ghulam Ahmad, der 1889 in Indien die Vision hatte, er sei der vom Propheten Mohammed angekündigte neue Messias. Andere islamische Glaubensrichtungen bestreiten das und warten noch immer auf die Verheißung. „Das ist“, sagt eine Besucherin, „ja ganz genauso wie bei uns Christen.“ Sie hat vom Tag der offenen Tür in der Zeitung gelesen und ist „aus Neugier“ gekommen. Eifrig will sie ihre Schuhe schon vor der Haustür ausziehen. Butt ist unsicher. Nein, sagt er, das müsse sie wirklich nicht. Er sucht einen Platz: „Vielleicht hier?“ Schuhe aus also im Flur. Die übrigen Besucher passen sich ganz von alleine an.

Im Vorraum zur Moschee ist ein langer Tisch gedeckt. Frauen servieren asiatische Spezialitäten, gefüllte Teigtaschen, Kichererbsen, süße Kuchen. Ihre Kopftücher sind leicht geschlungen oder dicht und streng gebunden, aber auch bei den Ahmadyya ein Muss. Das evangelische Pfarrerehepaar Schwarz probiert herzhaft. Auch sie wundern sich ein wenig über die Messias-Analogie: „Die einen denken, er kommt noch, die anderen meinen, er war schon da.“

Der Glaube an Messias Ahmad brachte die Ahmadiyya in Widerspruch zu den sunnitischen und schiitischen Muslimen. Im Iran, im Irak, in Pakistan werden sie unterdrückt und verfolgt. Ihr derzeitiges Oberhaupt hat seinen Hauptsitz vom pakistanischen Rabwah ins Exil nach London verlegen müssen. Hadayatullah Hübsch (55) ist ein Sprecher der Gemeinde. Der Konvertit, ehemals Frankfurter Linker mit Drogenerfahrung, sagt, die Religion habe ihm „das Leben gerettet“. Ahmadiyya, erklärt er den Besuchern, wolle „eine Entmythologisierung des Volksislam“, weg von „Paradies- und Buchstabenglauben“, sei gegen „die Zwangsverheiratung der Töchter“, sorge für die Bildung der Mädchen und wolle vor allem mit „dem Missverständnis des blutigen Dschihad“ aufräumen.

Neugierig stecken die Besucher ihre Nasen in den Gebetsraum: An der Decke in der Mitte hängt ein Kristalllüster, ein Stehpult ist an die Wand gerückt, der grüne Teppichboden fühlt sich warm und weich an. Alles sehr karg, die Besichtigung ist schnell beendet. Im Fernseher läuft das weltweite Fernsehprogramm der Ahmadiyya, MTA. Die Gäste fragen nach den Anschlägen in New York, wollen eine eindeutige Verurteilung hören. Damit geizen die Ahmaddiya-Muslime nicht. „Schändlich“ nennen sie die Attentate und „verdammungswürdig“. Das aber immer wieder wiederholen zu müssen, sagt einer, „das macht auch müde“.

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