Einheitsfeier in unruhiger Zeit

Das Thema Krieg und Frieden beherrschen die zentrale Feier zur deutschen Einheit. Appell an Christen und Muslime

MAINZ taz Die zentrale Feier zum 11. Jahrestag der deutschen Einheit gestern in Mainz stand ganz im Zeichen des Kampfes gegen den religiös motivierten Terror.

Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) appellierte an die christliche Wohnbevölkerung in Ost und West, die „Mitbürgerinnen und Mitbürger islamischen Glaubens, die seit Jahrzehnten mit uns lachen und mit uns weinen“, nicht auszugrenzen.

Während die Politiker die Einheitsfeier auch dazu nutzen, erneut ihre Bereitschaft zur „entschlossenen Verteidigung unserer Freiheitsrechte“ (Beck) zu demonstrieren, verlangte etwa der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, Manfred Kock, von allen Christen, den „Rufen nach Krieg und Kreuzzug“ zu widerstehen. Auch wenn Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) in seiner Rede das Thema der noch immer nicht überall vollzogenen deutschen Einheit zu fokussieren versuchte und der als Gastredner geladene polnische Ministerpräsident Aleksander Kwasniewski die „europäische Zukunft“ beschwor: Es ging in (fast) allen Reden nur um Krieg und Frieden. Als die geladenen Gäste am Vormittag zu Fuß vom Dom zur nahe gelegenen Rheingoldhalle zogen, gab es demonstrativen Beifall für den Kanzler. Gerhard Schröder genoss das Bad in der Menge. Die Sympathiebekundungen machten „Mut für die schweren Entscheidungen, die vor uns liegen“, sagte er.

Trotz Nieselregens waren einige tausend Menschen früh aufgestanden, um den Kanzler sehen zu können. Viel Beifall gab es auch für den ehemaligen Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP), einen der Architekten der Einheit. Geschützt wurde die Einheitsfeierlichkeit von rund 1.000 Polizisten.

Entspannter ging es auf dem Bürgerfest am Rhein zu. Dort hatten die Bundesländer ihre Zelte aufgeschlagen. Und sie demonstrierten (fast) geschlossen, dass die These von der Einheit in Vielfalt zwar richtig ist – aber auch extrem langweilig präsentiert werden kann.

Es dürfte sich nach 11 Jahren auch in Brandenburg herumgesprochen haben, dass manche Hessen „Äppelwoi“ trinken; und bei den Hessen, dass im Spreewald auch Gurken wachsen. Die Thüringer Bratwurst konkurrierte mit dem Fischbrötchen aus Hamburg um die Gunst der Einheitsfeierer, die bayerischen „Weißwürscht“ mit Grillgut aus dem Saarland. Und was wollten uns die Initiatoren damit sagen? „Dass die Liebe durch den Magen geht.“ So jedenfalls sah es eine Tourismusexpertin aus Frankfurt bei Polen.KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT