Halb verbrauchte Spekulationen im grellen Scheinwerferlicht

■ Andreas Kriegenburg inszeniert Dea Lohers frisch verfasstes Stück „Magazin des Glücks 1. Licht“ am Thalia in der Gaußstraße

Versuchsanordnung: Ein Garten voll Efeu, ein Kinderwagen, ein riesiger Gartenzwerg, eine Bank, darauf eine ältere Frau. Die Frau trägt ein graues Kostüm und eine eigenwillige Haarfrisur, blonde Haarkringel umspielen das Gesicht. Grelles Scheinwerferlicht wirft sich gegen eine Plastikfolie, die den Raum abschließt. Unschwer erkennt man in der Frau jene unglückliche Ex-Kanzlersgattin, die sich aufgrund einer seltenen Lichtkrankheit und wahrscheinlich auch aus anderen Gründen im Sommer dieses Jahres das Leben nahm.

Hier wird die Frau, deren Schicksal wochenlang die Titel aller großen Magazine zierte, zum Experiment. Alle sechs Wochen bringt Oberspielleiter Andreas Kriegenburg ein kurzes Theaterstückchen von Dea Loher mit „aktuellem Bezug“ auf die Foyerbühne des Thalia in der Gaußstraße. Beide verbindet eine langjährige Zusammenarbeit, die ans Schauspiel Hannover zurückreicht.

In ihrem ersten Projekt Licht werden zunächst die Stärken der Dramatikerin sichtbar: das mit der Nagelfeile geschliffene Wort. Es ist, als ob sie einen mit ätzender Flüssigkeit beträufelten Finger direkt auf den Nerv legt, dahin, wo es richtig weh tut. Übertreibung ist ihr Stilmittel. „Sie bleibt bei ihm, sie bleibt in der Provinz, sie bleibt zwei Schritte hinter ihm.“ Gleichzeitig treten auch die Schwächen dieses Wagnisses zutage: Eine kurzfristige Reaktion auf aktuelle Ereignisse verhindert einen gewissen Tiefgang. Hannelore Kohl ist durch ihren Freitod eine dramatische Figur geworden, und man kann Geschichten über sie erzählen, die dramatisch funktionieren. Auch wenn wir in dieser Stunde wenig Neues aus ihrem Leben erfahren. Gedankenverloren lässt Markwart Müller-Elmau als massige Verkörperung der Kanzlergattin deren Leben Revue passieren. Neben ihr agieren zwei Schatten (Judith Hofmann, Helmut Mooshammer) als Wiedergänger ihres ins Dunkel verlegten Lebens. Sie übernehmen eine Erzählerfunktion und beschreiben parallel die etwas wirre Versuchsanordnung einer Frau, die sich einer Gehirnoperation unterzieht.

Da ist viel die Rede von Pflichterfüllung. Vom Lächeln mit zusammengebissenen Zähnen. Loher schildert die Kanzlergattin als eine Gefangene im „Schaltkreis der Disziplin“, deren Ursprung in „festen bürgerlichen Grundsätzen“ liegt, an die sie sich „krallt wie ein Äffchen an die Brustzitzen seiner Mutter“. Das sind böse überspitzte Formulierungen, die der Frau bei aller Drastik ihre Würde belassen. Ihr Verhalten erscheint in ihrem Kosmos folgerichtig, und sie wusste sehr wohl, was sie tat. Sie als Opfer ihrer Umstände darzustellen, greift zu kurz, denn natürlich hätte sie gehen können, als die Kinder aus dem Haus waren, wenn sie das Leben an der Seite Helmuts satt gehabt hätte.

Kriegenburgs zurückhaltende Regie rückt die Sprache der Frau in den Mittelpunkt und unterstreicht damit die Stärke dieses Projektes. Am Ende ist der Hund tot, die Kinder sind aus dem Haus: „Nie mehr Wolfgangsee. Nie mehr Hirsche streicheln.“ Die Frau in diesem Stück empfindet nur Ohnmacht angesichts der neu gewonnenen Freiheit. Dazu, an sich selbst zu denken, ist sie dann nicht mehr gekommen.

Annette Stiekele

nächste Vorstellung 6. Oktober, 20 Uhr, Thalia Gaußstraße 190