heimat, die ich meide
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von WIGLAF DROSTE

Die Bundesbahnzeitschrift mobil macht ihre Oktoberausgabe mit einer devoten Titelgeschichte über Doris Schröder-Köpf auf, Überschrift: „Voller Einsatz ohne Mandat“. Die Formulierung, die unfreiwillig auch das enervierend ungustiöse mediale Gefuchtel einer Zwangsaufsteigerin beleuchtet, trifft, ebenso unfreiwillig, die Politik der deutschen Bundesregierung im Kern. Voller Einsatz ohne Mandat: Für das, was Gerhard Schröder und seine Leute seit gut drei Wochen tun, unterlassen und verkünden, haben sie kein Mandat, dafür wurden sie nicht gewählt. Es ist ihnen herzlich egal.

Gerhard Schröder ist der Kanzler der Bild-Zeitung. Mit dem Pöbel- und Schill-tauglichen Satz „Kriminelle Ausländer müssen raus, und zwar sofort“ wurde er ein letztes Mal niedersächsischer Ministerpräsident, von da an ging es weiter bergab, ins Bundeskanzleramt, in das der kleine Mann so dringend hineinwollte. Schröder und Bild sind kongruent, Bild ist, in der Sprache, zu der Schröder fähig ist, inoffizielles Regierungsbulletin.

Zur Bild-Regierungsmannschaft gehört auch Rudolf Scharping, der sein halbnacktes Bad im mallorquinischen Jauchebecken medial bestens überstanden hat. Schon der Kosovo-Krieg hatte Scharpings Karriere aufgeholfen, seit dem 11. September 2001 kann man das Swimmingpool-Luder Rudolf Scharping endgültig einen routinierten Kriegsprofiteur nennen. Bild bleibt seine zuverlässige Partnerin. Hier redet Scharping dem Krieg das Wort. „Unsere Soldaten beweisen jeden Tag auf dem Balkan, wie hervorragend und verantwortungsbewusst sie sind. Wir werden unseren Soldaten das Beste an Schutz und Ausbildung geben. Sie leisten ja auch ihr Bestes.“ Auch den „langfristigen Kampf gegen den internationalen Terrorismus“ möchte Scharping dazu nutzen, von der Verzichtbarkeit seiner Existenz abzulenken.

Ein paar Zeilen weiter versucht Bild-Kommentator Claus Jacobi, das Volk auf den alten Traum von Blockwart und Fleischmarken einzuschwören: „Lasst uns um Frieden kämpfen“, ist sein Sportpalast-Geschrei betitelt. Seine Botschaft lautet: endgültiger Verzicht auf das kleine bisschen Zivilisiertheit, das man diesem Land und seinen Insassen mühevoll beigebogen hat, Unterwerfung unter das blöde, stumpfe Militärische. Die Truppen werden formiert, Einordnen ist Pflicht, wer nicht weiß, wofür man ihn gut bezahlt, wird scharf ermahnt: Ulrich Wickert, laut Bild bis vor kurzem ein „TV-Weiser“, muss nun ein „TV-Narr“ sein. „Ungeheuerlich“, sei es, dass Wickert bei George W. Bush und Ussama bin Laden „die gleichen Denkstrukturen“ feststellt. Ungeheuerlich ist das gar nicht – nur wickert-vage und ungenau. Bild hingegen weiß Bescheid und verkauft Bush als einen „Cowboy, der langsam schießt“, einen „Mr. Durchschnitt. Das sind die Besten.“

Ich mache mir über Landsleute keine Illusionen. Aber nicht einmal der langjährige Durchschnittsleser der Bild-Zeitung ist so heruntergekommen wie die Leute, die das Drecksblatt machen oder mit seiner Hilfe regieren, bei vollem Einsatz ohne Mandat.