Schöne Komplimente für die Eisenfrau

Für Nicole Leder ist Triathlon nur eine Disziplin von dreien. Ihr Mann Lothar darf sich derweil ganz dem Sport widmen

BERLIN taz ■ Für Triathlet Lothar Leder war die Angelegenheit mindestens so klar wie Kloßbrühe. „Nicole kümmert sich um das Kind und hat auch sonst noch eine ganze Menge um die Ohren. Ihre Marathonzeit ist daher viel mehr wert als mein Sieg“, sagte der Dreikämpfer aus Darmstadt, keine ganze Stunde war es da her, dass er zum dritten Mal den „Europe Ironman“ im fränkischen Roth gewonnen hatte. Dabei neigt Ironman Leder normalerweise eher weniger dazu, die eigene Leistung kleinzureden, vor allem, wenn sie wirklich großartig ist. Dass er diesmal noch im Zielraum eine Ausnahme machte, hatte natürlich einen mehr als guten Grund: Die gelobte Dame heißt mit Nachname ebenfalls Leder, ist die Frau des Eisenmannes – und hatte beim Rother Ironman gerade ebenfalls den Zielstrich überschritten, als Drittplatzierte und in der im Frauenfeld mit Abstand besten Marathonzeit von 3:01:46 Stunden.

Das ist Weltklasse bei den eisernen Ladies, und schon deshalb ist Leders Satz ganz bestimmt richtig. Gefreut hat sich Ehefrau Nicole allemal darüber, sehr sogar. „Das tut schon gut“, gibt sie zu, weil es ihr zeigt, dass Ehemann Lothar ihre sportlichen Leistungen anerkennt. Dass Lothar Leder selbst zu den weltweit Besten der dreigeteilten Tortur zählt, macht das Lob nur größer – und noch schöner.

Es ist ja aber auch wirklich eine ganze Menge, was Nicole Leder sich auflädt; wenn man es genauer betrachtet, ist Triathlon nur eine Disziplin bei ihr von dreien, neben dem Haushalt und Mia, dem dreijährigen Sonnenschein der Familie – und alles will unter einen Hut gebracht sein. Da darf der Herr Gemahl schon mal eine Runde Komplimente ausgeben, wenn er sich schon sonst um nicht viel mehr kümmern muss – außer um Schwimmen, Radeln und Laufen natürlich.

Denn so, leicht vereinfacht, sind die Dinge nun einmal geregelt bei Deutschlands ausdauerndstem Pärchen: Er macht Sport. Und sie macht Sport – und alles andere. „Wir haben die klassische Rollenverteilung“, sagt Nicole Leder, schnell türmt sich da ein ganzer Berg an Aufgaben und Pflichten auf, vor allem, wenn Zeit sein muss für fünf, sechs Stunden Training am Tag; wer weniger macht, schafft es kaum in die Weltspitze. Morgens, nach dem gemeinsamen Frühstück gegen halb acht, bringt die 31-Jährige Mia in die Kindergruppe, um eins holt sie sie wieder ab. Dazwischen strampelt sich Nicole Leder auf dem Rad ab, danach gehört ihr Tag zum Großteil dem Töchterchen. Erst am Abend steht dann wieder Training an, Laufen und Schwimmen meist, manchmal geht das bis zehn. Einmal pro Woche, meist am Freitag, ist trainingsfrei. Dafür stehen dann am Wochenende Wettkämpfe an. Freiräume, Zeit für sich ganz alleine? „Nee“, sagt Nicole Leder, „das habe ich erst im Winter.“ Zwischen der letzten und nächsten Saison.

Um das klarzustellen: Nicole Leder beschwert sich darüber nicht. Vielmehr findet sie es normal, wie die Rollen verteilt sind im Hause Leder, in anderen Familien sei es ja auch nicht anders. „Lothar verdient einfach mehr Geld“, sagt sie, schon deshalb genieße sein sportliches Wirken Priorität, „das haben wir von Anfang an so abgemacht.“ Und überhaupt: „Ich habe schließlich noch nicht dreimal Roth gewonnen und war schon zweimal Dritte auf Hawaii.“ Dass ihr Mann dafür den Hauptbatzen an Ruhm, Geld und öffentlichem Interesse abgreift, findet die 31-Jährige schon deshalb in Ordnung. Dass sie als ruhender Pol der Familie daran schon auch ihren Anteil hat, würde sie am liebsten verschweigen, was allerdings kaum gelingen kann: Früher galt Lothar Leder in der Szene nämlich als heftiger Chaot, in Leben wie Sport gleichermaßen. Nun ist er seit Jahren schon einer der weltbesten Triathleten. Von ungefähr kommt das nicht, schon eher vom sanften Einfluss von Gattin Nicole, die als die Besonnenere im Hause Leder gilt.

Dabei ist es nicht so, dass Nicole Leder nicht auch profitieren würde von ihrem großen Namen, gerade bei den Sponsoren, die beim Frauen-Triathlon nicht eben Schlange stehen. „Im Vergleich zu anderen Triathletinnen kann ich ganz bestimmt nicht jammern“, gibt die 31-Jährige zu, zumal sich gerade eine Werbeagentur gefunden hat, die die Leders gemeinsam vermarkten möchte – als Triathlon-Familie quasi. Gerade haben Nicole und Lothar Leder einen Werbevertrag für alkoholfreies Weizenbier unterschrieben – gemeinsam.

Natürlich ist das mit dem Gerstensaft nur scheinbar ein Widerspruch zu diesem Samstag, wenn ausgerechnet dort, wo es angeblich gar kein Bier geben soll, der wichtigste Sporttermin des Jahres für das eiserne Paar ansteht: auf Hawaii. „Unter die ersten zehn“, sagt Nicole Leder, und meint damit ihre Ziele für den Hawaii-Ironman, den weltweit meistbeachteten Triathlonwettbewerb, womit die Chancen nicht schlecht stünden, beste Deutsche zu sein, eine Zeit irgendwo unter zehn Stunden müsste sie dafür am Ende wohl stehen haben – und damit rund eine Viertelstunde schneller sein als im Vorjahr, 14. wurde sie da. Auf jeden Fall wird Lothar, ihr Mann, wieder im Ziel stehen und auf sie warten, er gilt als einer der Favoriten auf den Sieg. Doch selbst der sollte ihn nicht davon abhalten, seiner Frau ein schönes Kompliment zum Zieleinlauf zu schenken. FRANK KETTERER