„Bildung für alle“ bleibt vorerst Utopie

Heute findet in Paris der Weltlehrertag statt. Der weltweite Mangel an Pädagogen ist das größte Problem

PARIS taz ■ Mindestens 15 Millionen zusätzliche LehrerInnen sind nötig. Sonst wird es 2015 nichts mit dem „universellen Zugang zur Schulbildung“, den 180 Regierungen im letzten Jahr in Dakar als Ziel ihrer Bildungspolitik festgelegt haben. Das erklärte der für Bildung zuständige Vize-Direktor der Unesco, John Daniel, gestern, am Vortag des Weltlehrertages, in Paris.

Am größten ist der LehrerInnenmangel laut einer gestern vorgelegten Studie von Unesco, OECD und Weltbank („Teachers for Tomorrow's Schools – Analysis of the World Education Indicators 2001 Edition“) in den südasiatischen und afrikanischen Ländern. Auch „reiche“ Länder sind betroffen. So sind in den USA in den nächsten 14 Jahren zwei Millionen zusätzliche LehrerInnen nötig, um das in Dakar definierte Ziel zu erreichen.

Um den „schwereren Mangel an qualifiziertem und erfahrenem Personal“ zu beheben, reiche es nicht, ein paar zusätzliche Bänke in die Hörsäle der pädagogischen Bildungsstätten zu stellen, erklärte die Bildungsorganisation der Vereinten Nationen, Unesco. Vielmehr seien dauerhafte Lösungen nötig. So müssten die Aus- und Fortbildung von LehrerInnen „oberste Priorität“ haben, die langfristige Anbindung von LehrerInnen an die Schule verbessert und ihre Löhne und Karrieremöglichkeiten „korrekt“ werden. Auch der Mangel an Unterrichtsmaterial müsse behoben werden.

Die Erwartungen an LehrerInnen sind in den vergangenen Jahren gestiegen. Sie sollen nicht nur Allgemeinbildung vermitteln, sondern auch mit neuen Technologien Schritt halten und vielerorts politische Funktionen wahrnehmen. Zugleich sind in den 90er Jahren jedoch die Mittel infolge geschrumpfter Staatseinnahmen zurückgegangen. In zahlreichen Entwicklungsländern führt dieser Sparkurs dazu, dass der Anteil der Bildungsausgaben an den Staatsausgaben steigt. Die thailändische Regierung gibt mehr als ein Viertel ihres Budgets für Bildung aus. Zugleich werden private Hilfsfinanzierungen immer wichtiger zur Aufrechterhaltung des Unterrichtes – auch in staatlichen Schulen. In Chile, Peru und auf den Philippinen kommen 40 Prozent der Finanzen für Schulen aus privaten Quellen. In Indonesien müssen zunehmend Eltern Geld für die Lehrer zuschießen.

Die gegenwärtig 59 Millionen LehrerInnen sind die größte hochqualifizierte Berufsgruppe der Welt. Doch ihr Einkommen, ihre Arbeitsbedingungen und ihr Sozialprestige sind dem nicht angemessen. Die Studie beschreibt demotivierend niedrige Löhne. In manchen Entwicklungsländern liegen die Einstiegsgehälter für LehrerInnen unter den Lebenshaltungskosten – 1.160 US-Dollar pro Jahr für GrundschullehrerInnen in Indonesien, 5.241 US-Dollar in Uruguay und 4.818 US-Dollar in Brasilien –, und die Aussichten auf einen Lohnanstieg sind miserabel. Erschwerend kommt hinzu, dass gerade in abgelegenen Gebieten, wo LehrerInnen am dringendsten benötigt werden, die Lebensbedingungen hart sind. Und dass weltweit die Gewalt gegen LehrerInnen zunimmt. „Einfach wird es nicht werden, die 15 Millionen Kandidaten zu finden“, so die Unesco. DOROTHEA HAHN