So long, politicon

Ortwin Runde nimmt Abschied von der Bürgerschaft, will der Politik aber erhalten bleiben. Nachfolge ist noch völlig offen  ■ Von Peter Ahrens

Im Phoenix-Saal des Rathauses ist ein Spruch in die Holzverkleidung der Wand eingelassen: „Das Alte stürzt ein, es ändert sich die Zeit.“ Bürgermeister Ortwin Runde sitzt ein paar Meter weiter am Tisch und verkündet der Presse seinen Abschied aus der Bürgerschaft. „Ich bin zu der Überzeugung gekommen, dass es meine Sache nicht ist, auf der Oppositionsbank Platz zu nehmen.“ Runde verzichtet auch auf ein Mandat als Abgeordneter.

Schon seit Tagen hatte sich abgezeichnet, dass Runde das Amt des SPD-Fraktionschefs entgegen seinen anfänglichen Plänen nicht übernehmen wird. Auf einer Sitzung mit allen Kreisvorsitzenden am Dienstag war ihm signalisiert worden, dass man einen Oppositionschef Ortwin Runde nicht unbedingt als Signal für einen Neuanfang interpretieren könne. Lediglich Rundes eigener Kreisverband Nord hatte sich hinter den 57-Jährigen gestellt. Dessen Vorsitzender Hermann Scheunemann war denn gestern auch der einzige, der Rundes Verzicht ausdrücklich bedauerte.

Bei seinem womöglich letzten Auftritt als Bürgermeister vor der Presse wirkte Runde beinahe gelöst, auch wenn er nach dem Verlesen seiner Erklärung wortlos verschwand. „Der Mandatsverzicht ist für mich keineswegs ein Abschied aus der Politik. Ich bin ein zoon politicon, und das wird sich nicht ändern“, deutete er an. Wie sein künftiges Engagement aussehen könnte, ist allerdings sein Geheimnis. Am Schluss seiner Erklärung appellierte der Bürgermeister an den Nachfolgesenat, „die bewährten Prinzipien der sozialen Gerechtigkeit, der Chancengleichheit und des friedlichen Miteinanders unterschiedlicher Kultur- und Lebensformen zu hüten“.

In der SPD-Fraktion beginnt derweil die Suche nach der neuen Führungsfigur. Gescheitert dürfte das Modell sein, den alten Fraktionschef Holger Christier für eine Übergangszeit im Amt zu belassen, bis sich eine neue Nummer eins profiliert hat. Christier hat gestern schon zugunsten einer „notwendigen Erneuerung“ abgewunken.

Die wird aber gar nicht so einfach werden, denn es drängt sich so recht niemand auf. Parteichef Olaf Scholz gehört dem Parlament nicht an, und Bürgerschaftspräsidentin Dorothee Stapelfeldt möchte ihren Job behalten. Gehandelt werden jetzt neben Christiers Stellvertreter Walter Zuckerer Gewerkschaftsfunktionär Uwe Grund und Medienpolitiker Werner Dobritz. Zuckerer hätte von seinen rhetorischen und intellektuellen Voraussetzungen her die besten Karten, hat aber das Problem, dem linken Flügel der Partei zugerechnet zu werden. Da auch Scholz und Stapelfeldt als Parteilinke gelten, pocht die Rechte auf ihren Anspruch, auch ein Führungsamt zu besetzen.

Siehe Portrait Seite 26