Nie wieder kalte Füße

■ Auf der Seniorenmesse im Bremer World-Trade-Center gibt es mehr als Treppenlifte und das „Schwere-Beine-Gel mit Extrakt aus roten Weinrebenblättern“

Ganz schön gefährlich, diese Welt. Da drohen Erdstrahlen, Wasseradern, zu hoher Blutdruck und die Euro-Umstellung. Tröstlich immerhin, dass es ein kleines praktisches Gerät gibt, das per Knopfdruck die Euro-Preise wieder in Mark umrechnet.

Derart beruhigende Dinge werden auf der Seniorenmesse „Aktiv im Alter“ feilgeboten, die an diesem Wochenende im World Trade Center stattfindet. Im Angebot sind erstaunliche Hilfen für den Alltag wie ein Telefon mit extra großen Tasten, ein sprechendes Fieberthermometer, Tubenausdrücker, Tablettenuhren und Vergrößerungsgläser in allen Dimensionen. Die größte Lupe können sich Großmama und Großpapa vor den Fernsehschirm stellen – fertig ist das Heimkino. Aber auch Treppenlifte und das „Schwere-Beine-Gel mit Extrakt aus roten Weinrebenblättern“ gibt's zu kaufen.

Fast jeder Stand von „Aktiv im Alter“ lockt die Senioren mit gut gefüllten Kekstellern. Nur: So leicht lassen sich auch die ergrautesten Senioren nicht über den Tisch ziehen. Erstens haben viele einiges auf der hohen Kante, zweitens sind auch Oldies eine viel umworbene Zielgruppe: „Wenn man älter ist, kommen die und wollen einem Magnetkissen verkaufen“, sagt ein Mittsechziger mit leberwurstgrauem Blouson und Schnäuzer abschätzig. „Ich kauf nicht jeden Kokolores.“

Gleich hinterm Eingang lauern erstmal Polizisten inklusive Metalldetektoren. Dann kommen smarte Promoter, die Vitaminpräparate und ungebremste Vitalität versprechen: „Das nehmen auch Top-Athleten wie Tom Lobinger und Heike Drechsler“, lobhudelt ein Mann mit Krawatte und Slippers. Schwupps, schon verschwindet das Probefläschchen mit dem rosa Zaubertrank in der Plastiktüte eines Hutträgers, die bald mit Probepäckchen und Broschüren gefüllt sein wird.

Die Verkaufsschlager der Messe sind Gesundheit und Sicherheit. „Da kann man dann sicher sein, dass nichts mehr passiert und dass die Erben nicht mehr an ihr Geld rankommen“ wird eine Bestattungs-Versicherung angepriesen.

Wie man sich im Straßenverkehr vor Handtaschenräubern und Einbrechern schützt, erfährt man am Messestand der Polizei. Die Faltblätter unter dem blinkenden Blaulicht verraten sogar, wie man Rauschgiftschmugglern keine Chance lässt, die Drogen-Päckchen im Gepäck von Senioren über die Grenze schaffen wollen.

Aber die Alten nehmen nicht alles kritiklos hin. Das Seniorenparlament, die Lobby für die betagten Bremer Bürger, ist für den 61-jährigen Jens-Peter Müller aus Oyten nur ein „Sandkasten, in dem man die Senioren mit ihren Eimerchen spielen lässt.“

Am Besten gibt es alles umsonst: „Wollen Sie mir eine Reise verkaufen oder haben Sie was zu verschenken?“ Hier läßt sich niemand abzocken – auch die wackeligsten sind in Wirklichkeit ganz schön abgebrüht. Wer hätte auch je daran gezweifelt... Peter Ringel